VN Sa, 7.6.2003

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Kultur 

Der Befehl zum Schauen

Die Vorarlbergerin Ruth Schnell mit neuen Arbeiten in der Galerie Lisi Hämmerle

Bregenz (VN-ag) Draußen flimmert die Hitze über dem Asphalt, im Galerieraum schwirren für Sekundenbruchteile Buchstaben und Wörter durch die Luft. Sie formieren sich zu einer Anordnung der Medienkünstlerin Ruth Schnell: der Befehl des Blickes.

"L'Ordre du Regard" nennt sich das jüngste Ausstellungsprojekt der in Wien lebenden Vorarlberger Künstlerin Ruth Schnell. Mit der Gültigkeit von Blickordnungen befasst, zeigt Schnell vier neue Arbeiten und ein Multiple. Dabei fungieren mit transluzenten Polyesterharzschichten überzogene MDF-Platten als schlicht-schöne Tafelbilder, deren monochromer Farbgrund zum Bildträger für LED-Dioden mutiert, die als vertikal gesetzte Leuchtstäbe in die Fläche eingelassen sind.

Schnittstellen

Unter der Prämisse der Trägheit visueller Wahrnehmung interveniert Ruth Schnell, die bereits an der HTL Bregenz ein Kunst-am-Bau-Projekt mit LED-Leuchtstäben realisiert hat, einmal mehr an einer Schnittstelle, wo sich reales, an Raum- und Zeitachsen orientiertes Umfeld und ein dynamischer, virtueller Zeichenraum verzahnen. Dass die seit den 80 ern vornehmlich mit Video- und Computerenvironment beschäftigte Künstlerin für ihre jüngste Werkreihe mit den glatten, glänzenden Monochromen ausgerechnet beim klassischen Tafelbild ansetzt, mag zunächst überraschen. Doch die Frage der Raumwahrnehmung, die Ambivalenz von Bildwelten und die Negation des einen, einzig gültigen Betrachterstandpunktes beschäftigt Ruth Schnell werkimmanent und war auch Thema der im vergangenen Sommer für das Kunsthaus Bregenz konzipierten Außenarbeit "Territorism".

Lesen = bewegen

"Wir sehen mit den Beinen", hat Ruth Schnell einmal gesagt. Mit "L'Ordre du Regard" geht die Biennale-Teilnehmerin (1995) und Vorarlberger Kunstpreisträgerin 2001 noch einen Schritt weiter bei ihrem Versuch, den Betrachter partizipatorisch einzubinden: wer die codierten Botschaften, die von den blinkenden LEDDioden als Abfolge hochfrequenter Impulse ausgesendet werden, lesen will, muss sich bewegen bzw. seinen Kopf drehen und wenden. "Die vertikal angeordneten Dioden generieren in einer Frequenz, bei der das Auge keine Einzelbilder mehr unterscheiden kann, in Lichtpunkte und -linien zerlegte Wörter" (Patricia Köstring). Was das Auge in rascher, horizontaler Bewegung einscannt, wird durch den so genannten "Nachzieheffekt" zu im Raum schwirrenden Wörtern, die je nach Arbeit deren unterkühlte Künstlichkeit brechen oder betonen.

"Nennen Sie mich" vereint z. B. unterschiedliche, sinn- und sachverwandte Bezeichnungen für Frau von "Amazone" bis "Zicke", während sich Schnell bei dem selbstreferentiellen "L'Ordre du Regard" mit seinem stichwortartigen Vokabular zur Entcodierung des Werks ein bisschen in ihre Karten schauen lässt. Doch von der Künstlerin kommt nur "Der Befehl des Blickes". Für seine Umsetzung ist der Betrachter zuständig. Und für ihn gilt es, in der Hitze des Sommers und im Wirbel der Wörter einen kühlen Kopf zu bewahren.

Bis 5. Juli in der Galerie Lisi Hämmerle in Bregenz. Öffnungszeiten: MittwochÖSamstag 10Ö12 und 15 bis 19 Uhr.

Schlicht und schön: Tafelbilder von Ruth Schnell. (Fotos: Grabher)

Spiel mit Licht.




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