Vaduz
(VN-ag) Eine kleine Premiere bedeutet die erste
reine Videoausstellung im Kunstmuseum Vaduz. In einer dezidierten
internationalen Auswahl spuren sechs Kunstler dem Bild des Menschen
in der Videokunst der 90er Jahre nach.
Die Videokunst blickt auf eine ebenso kurze wie
variantenreiche Entwicklung seit den 60er Jahren zurück. Nachdem
sich in den 70ern Künstler wie Bruce Naumann oder Dan Graham bereits
mit inneren Befindlichkeiten, abgehandelt in aufklärerischer
Dimension, befasst haben, waren die 80er Jahre von den Aspekten der
Mediengesellschaft und ihren Kommunikationsmöglichkeiten geprägt.
Vor diesem Hintergrund und vor der sich rasch wandelnden Kulisse
einer Erlebnis-, Informations- und Konsumgesellschaft äußern sich
die mit Video befassten Künstler in den 90ern wieder vermehrt über
den Menschen.
Obsession Mensch
Die Obsession für Mensch und Menschsein, der
sensibilisierte Umgang mit dem Medium Video liegt den gezeigten
Arbeiten trotz aller Unterschiedlichkeit zugrunde. Die Spanne reicht
vom einfachen Monitor bis hin zu komplexen Projektionen und
Erzählstrukturen, von den Geschichten aus dem Lebensalltag des
Franzosen Joel Bartolomeo ("Petite scene de la vie ordinaire") bis
hin zu den Bekenntnissen von Menschen im Video der Londoner
Künstlerin Gillian Wearing, die zu den berührendsten Arbeiten der
Schau gehören. Auf die Anzeige "Gestehe alles auf Video. Keine
Sorge, du bist nicht zu erkennen. Interessiert? Ruf Gillian an"
geben zehn Menschen, hinter Masken verborgen, zwischen
Exhibitionismus und Beichte angesiedelt, Einblicke in die Abgründe
der menschlichen Seele. Ebenso ästhetisch wie emotional aufgeladen
wirkt daneben die Arbeit von Tony Oursler (New York), der mit "Fear
Flower", einer blumigen Hintergrundprojektion und einem Dummie im
Blumenkleid, ein charakteristisches Werk aus den späten 90ern zeigt.
Die Beziehungen zwischen den Generationen, abgehandelt anlässlich
des Todes des Großvaters, thematisiert die finnische Künstlerin
Eija-Liisa Ahtila in "Today".
Moderne Tragödie
Im Gegensatz zu den narrativen Momenten dieser modernen
Tragödie erfolgt der Einstieg in die aufwändig geschnittene
Videoarbeit der in London lebenden Monika Oechsler (zuletzt bei
"Gymnasion" im Künstlerhaus in Bregenz vertreten) ebenso abrupt wie
der Ausstieg. "High Anxieties" zeigt die inszenierte Diskussion
unter fünf Mädchen aus verschiedenen Blickwinkeln. Auf eine
20-minutige Reise durch seinen Heimatort Derry, der als einer der
politisch brisantesten Orte in Nordirland gilt, nimmt Willie Doherty
den Betrachter in "Same old story" mit. Zwischen den beiden großen
Projektionswänden bleibt Derry Derry und konnte doch überall sein.
Diese Einbindung des Betrachters, das Stimulieren oder Auslösen
von Prozessen, ist bei allen Arbeiten in Vaduz gegeben. Zwischen
drei und dreißig Minuten lang, beschränkt auf sechs
Videoinstallationen, ist es zwar möglich, in einer guten Stunde alle
Videos vollständig zu sehen, dennoch ist Konzentration gefragt, da
sich die Geräusche teilweise überlagern. Glücklicherweise lassen
sich die (meist englischen) Texte im Katalog nachlesen. Und die
Lektüre hält, was die Schau verspricht: ",Das` Innere Befinden" und
",Das` Bild des Menschen" gibt es nicht. Es gibt ebenso viele innere
Befindlichkeiten und unterschiedliche Entwürfe von Menschenbildern
wie künstlerische Positionen.
Joel Bartoloméo: "Le chat qui dort". (Foto:
Kunstmuseum)