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Kunstberichte
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Künstler, die bellen . . .

Aufzählung (cai) Wenn eine Videokünstlerin ihre Kamera erschießt, ist das sicher ein Verbrechen aus Leidenschaft. (Als tät’ ein Violinspieler seine Geige in den Häcksler stopfen.) Anna Jermolaewa könnte uns die Hinrichtung jetzt einfach zeigen (gefilmt vom Opfer selbst), sie hängt aber lieber eher unscheinbare Fotos von der Leiche auf.

In der Ausstellung, die sie ja immerhin kuratiert hat (richtig: fürs "Curated by"-Projekt), hält sie sich selber bescheiden im Hintergrund. Das Thema "Art & Film" interpretiert sie unkompliziert: Filme von Künstlern oder mit Künstlern. ("Performance" darf man übrigens nicht mit "Perversion" verwechseln, auch wenns verdammt ähnlich klingt .)

Wenn ein sehr nackter Oleg Kulig also als Wachhund vorm Museum willige Besucher brutal verjagt, so will er damit vermutlich nicht ausdrücken, dass Künstler halt einen Huscher haben. Er prüft womöglich, wie stark der Drang der Menschen nach Kunst wirklich ist. Ob sie sich dafür sogar beißen lassen. "100 Laufmeter" (die Länge des Filmstreifens): Hans Schabus, der bloß eine Hand frei hat, schleppt drei Koffer nach einem ausgeklügelt umständlichen System die Straße entlang. Tja, seit er den unterirdischen Wasserweg von Wien nach Amerika gefunden hat (in der Kanalisation), halte ich den lapidaren Romantiker sowieso für das Gelbe vom Ei des Kolumbus. Wenn allerdings das Letzte, was man beim Verlassen einer Galerie sieht, sich prügelnde Greise sind, vollgepumpt mit Adrheumalin, äh: Ad rena lin (nein, doch mit Rheuma), dann, na ja, kletzelt man das vierte Sterndl eben wieder weg. (Beschwert euch bei Aernout Mik!)

Engholm Galerie Wien

Schleifmühlgasse 3, 1040 Wien

Curated by_Anna Jermolaewa, bis 5. Juni

Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Lesen mit Emmanuelle

Aufzählung (cai)Kuratierende Künstler, besonders die, die die Zusammenhänge zwischen Kunst und Film ergründen wollen, die haben kein Mitleid. Die flimmern uns gnadenlos mit Filmen nieder. Ah nein, der Marko Lulic lockert seine Schau ja mit Sachen auf, die sich nicht im Geringsten bewegen. Okay, dafür muss man ein bissl was lesen. Aber wie anstrengend ist es schon, etwa die "Emmanuelle"-Plakate geistig zu verarbeiten? Ja, theoretisch kann man sich immer noch insgesamt 74 Minuten und eine Sekunde Filmmaterial reinziehen. Wenn sich der Weigand und der Zobernig 30 Minuten ins Zeug legen und ihre Kettensägen trotzdem nicht anspringen ("Kettensäge" ist kein Euphemismus für, äh, für ... was anderes), so muss man freilich eh nicht die ganze halbe Stunde durchhalten.

Gabriele Senn Galerie

Schleifmühlgasse 1a, 1040 Wien

Curated by_Marko Lulic, bis 19. Juni

Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Miauen bei jedem Wetter

Aufzählung (cai)Der Türknauf von der Kargl-Box ist der sinnlichste, den ich je persönlich kennengelernt hab’. (Er schmiegt sich so prall in die Hand hinein.) In der Box drinnen aber wird man schlagartig nüchtern. Isabelle Cornaro reduziert in ihren trockenen Zeichnungen alles auf die Perspektive und bei Claudia Kugler brennt halt Licht. Ob die von Nadim Vardag kuratierte Analyse des Mediums Film ein paar Häuser weiter aufregender wird, kann ich nicht beurteilen. Das Kargl-Permanent war schon zu. Oh, wie hab’ ich mich bemüht, durchs spiegelnde Fenster was zu erkennen! Dann hat’s auch noch zum Schütten angefangen. Ich hab’ mich gefühlt wie in "Frühstück bei Tiffany" (wie das Katzerl, das von der Hepburn im Regen ausgesetzt wird – ein armes Viech wie Schrödingers Katze). Doch irgendwann dürfen auch Märtyrerinnen heimgehen.

Georg Kargl Box & Georg Kargl Permanent

Schleifmühlgasse 5 und 14, 1040 Wien

Curated by_Nadim Vardag: "Off", bis 5. Juni

Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Galerien

Printausgabe vom Mittwoch, 02. Juni 2010
Online seit: Dienstag, 01. Juni 2010 17:13:23

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