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Kunstrestitution: „Raubkunst“ enteignen und Millionen zahlen

22.02.2008 | 18:25 |  (Die Presse)

Kunstrückgabe neu – wer macht politisch mit? Und wie wird das Leopold-Museum einbezogen?

Als „wahrscheinlich größte Präsentation von Raubkunst in Österreich seit Jahren“ bezeichnete letzte Woche Grünen-Kultursprecher Wolfgang Zinggl die laufende Egger-Lienz-Schau im Leopold-Museum. Dieses konterte, die meisten strittigen Bilder stammen nicht aus der Leopold-Sammlung, sondern aus den Bundesländern.

Das Bildungsministerium betonte die „moralische Verpflichtung der Republik“, der man bei Restitutionen bestmöglich nachkommen wolle. Eine Novelle des Kunst-Rückgabe-Gesetzes wird offenbar vorbereitet. Das Bildungsministerium hat bereits die ÖVP kontaktiert, welche Punkte darin vorkommen sollen. U.a. soll der Begriff Kunstwerk neu definiert werden. Eine seltsame Idee, näher betrachtet aber gar nicht seltsam: Oft sind strittige Objekte eher Erinnerungsstücke als Kunstgegenstände.

Die ÖVP verhält sich zu den Vorschlägen des Ministeriums abwartend. Vielleicht erleidet Ministerin Schmied ja Schiffbruch. Der kniffligste Punkt an der Sache ist nämlich just die Leopold-Stiftung, eine Privatstiftung und kein Bundesmuseum, daher vom Kunstrückgabegesetz ausgenommen. Das Leopold-Museum hat seine Position in puncto Restitution – es gibt dort eine hauseigene Provenienzforschung – so präzisiert: „Weder die Kunstwerke der Sammlung noch die Privatstiftung stehen im Eigentum der Republik.“ Dem Leopold-Museum nahestehende Experten erklären dazu: Die Stiftung gehört sich selbst. Bilder könnte sie nur dann herausgeben, wenn der Staat Entschädigung zahlt. „Entschädigungslose Enteignung“ sei hierzulande nicht erlaubt. Stiftungsvorstände können auch keine Weisungen von Institutionen erhalten, die sie entsandt haben, z.B. vom Ministerium.


Schmied muss Ausweg suchen

Wie hoch wäre die Entschädigung im Falle des strittigen Gemäldes „Häuser am Meer“ von Schiele, früher im Besitz von Jenny Steiner? Das Gemälde soll 13–15Mio.€ wert sein. Ein stattliches Sümmchen. Sollte die Regierung per Gesetz die Enteignung ohne Entschädigung beschließen, würde der Verfassungsgerichtshof sie als verfassungswidrig aufheben, so die Prognose der Leopold-nahen Fachleute.

Dem widerspricht ein Gutachten, das die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) beim Salzburger Verfassungsrechtler Walter Berka in Auftrag gab: Darin steht (laut IKG), dass eine Unterwerfung der Leopold-Sammlung unter das Kunstrückgabegesetz möglich wäre. Das Bildungsministerium hat nun eine heikle Aufgabe: Soll es das heiße Eisen Leopold-Museum überhaupt anfassen – oder besteht die Gefahr, im Juristenstreit unterzugehen?

Nicht der Leopold-Stiftung nahestehende Experten sagen, es gebe außer der Enteignung mit Entschädigung noch andere Möglichkeiten: Die Stiftung könnte ihre Satzung ändern, der Vorstand beschließen, strittige Gemälde herauszugeben. Dem wird Sammler Rudolf Leopold kaum zustimmen.

Zinggl ist jedenfalls entschlossen weiterzukämpfen: „Es gibt Möglichkeiten. Man muss alles ausschöpfen!“ Ein unabhängiger Gutachter oder mehrere sollten alle Provenienzen (Doku über die Herkunft von Bildern) noch einmal durchforsten. Im Kulturausschuss im Parlament am Dienstag dürfte die Kunstrückgabe ebenfalls ein Thema sein.

„Die Geschichte ist zu kompliziert. Passieren wird am Ende gar nichts. Die SP wird sich wieder einmal auf das schlechte Koalitionsklima ausreden und die Sache ad acta legen“, meinen Beobachter. „Das werden wir nicht akzeptieren“, sagt Zinggl. Die Grünen machen kommende Woche eine Enquete zum Gedenkjahr (1938/2008). bp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2008)


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