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Galerien in Wien: Denn der Haifisch hat falsche Zähne

02.05.2007 | 17:59 | NICOLE SCHEYERER (Die Presse)

Fragliche Malerei von Otto Mühl und Gratwanderungen von "Kowanz Graf".

Im hohen Alter hat sich Otto Mühl ein Alter Ego zugelegt: Ein beißlustiger Haifisch fletscht auf den Gemälden des heute in Portugal lebenden Aktionisten die Zähne. Der 81-Jährige unterstreicht seine späte Werkreihe gerne durch Herausnahme seines falschen Gebisses, das er dann verkehrt herum wieder einsetzt. Ein längliches Haifischbild von 2003 steht am Beginn der Einzelschau „Destruktion in der Kunst ist Freiheit“, die Kunsthändler Philipp Konzett in seiner im Herbst eröffneten Wiener Galerie präsentiert.

Rund um die MAK-Personale 2004 wurde immer wieder die Frage laut, wie viel Mühls Malerei denn am heutigen Kunstmarkt wert sei. Dieses Interesse war auch insofern brisant, als damals Mühls ehemalige Kommunarden ihren Anteil an den im Kollektivismus geschaffenen Gemälden thematisierten. Die aktuelle Schau bietet Gemälde von 1979 bis 2005, die zwischen 30.000 und 70.000€ liegen. Mit dem Großformat „Das Paar“ eifert der Künstler dem späten Picasso und dessen Alterserotismus nach. Zwei archaische Mutterfiguren mit Säuglingen, Motive aus der Kommune, stehen hingegen wieder der Pop Art nahe.

Der antibürgerliche Künstler verzichtet selten auf die dicke Umrisslinie, die in den Gefängnisbildern ab 1991 in Richtung Comic führte. Zu Mühls bester Malerei gehört die politische Satire, etwa „13 Eier“, die er treffsicher auf ein böses Porträt Wolfgang Schüssels 2002 feuerte; zu seinen schlechtesten Bildern gehören die pastosen Landschaften, echte Farbverschwendung.


Spielerischer Paarlauf

Der Wiener Kunsthändler Julius Hummel sammelt Otto Mühl seit vielen Jahren, allerdings mit Schwerpunkt auf dessen eigentlicher Leistung, den Aktionen. Hummel interessiert sich aber auch intensiv für die Nachkommen des Wiener Aktionismus. In der aktuellen Schau „Kowanz Graf“ lässt sich Kunst aus den frühen Achtzigerjahren kennenlernen, die die Gratwanderung zwischen Konzept und Expression spielerisch meistert. Als Paar inspirierten sich Brigitte Kowanz und Franz Graf zu Mischtechniken auf Transparentpapier, die sie mit phosphorizierenden Farben malten. Diese Bilder geben Körperkonturen zu erkennen, die die Künstler wiederholt abwuschen und übermalten. Ein verdunkelter Raum führt zu abstrakten, unter UV-Licht strahlenden Bildern.

In Absetzung vom Informel greifen Kowanz und Graf auf das Naheliegende zurück, seien das nun die eigenen Gliedmaßen, die schablonenhaft verewigt werden, sei es der Atelierfußboden, der zum Material für ein Bild wird.

Wer die Arbeiten als Relikte einer Liebesbeziehung lesen will, findet darin eine wechselvolle Erzählung von Gleichklang, Kampf und Auseinanderdriften. Aber auch die Auflösung des spannungsvollen Zweigesangs bleibt reizvoll.

Mühl: Bis 5.6. (Spiegelg.21); Kowanz Graf: bis 30.6. (Bäckerstr.14).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2007)


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