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15.12.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung | ||
Bawag Foundation: Und dann sind wir Helden (der Arbeiterklasse) | ||
VON THOMAS KRAMAR | ||
"Working Class Hero / A Portrait of John Lennon", eine spannende Installation von Candice Breitz. | ||
"A
working class hero is something to be." Anmaßend und bitter, ehrlich
und peinlich zugleich klang dieser Bekenntnissong John Lennons 1970, so
klingt er heute. Nur Ironie, die findet man nicht drin, die drängen
höchstens die Umstände auf: Eine Installation, die (auch) behandelt,
wie sich die Arbeiterklasse-Visionen und -Rückblenden des zum
Milliardär avancierten Seemannssohnes John Lennon in seinen Fans
spiegeln, gezeigt im Kunstraum der (gerade noch nicht ehemaligen)
Gewerkschaftsbank, das hat schon was. Das könnte auch ein Kommentar zu
gescheiterten Modellen der Mitbestimmung sein.
Aber das ist es nicht. Darum geht es nicht. Die
südafrikanische Künstlerin Candide Breitz hat vielmehr mit einem
ernsthaften Auswahlverfahren 40 bekennende Fans John Lennons (1940 bis
1980) rekrutiert und sie gebeten, alle Songs von "John Lennon/
Bei John Lennons 1970 erschienener Langspielplatte -
nach vier eher avantgardistisch-verspielten Alben die erste Pop-Platte
seiner Solokarriere - ist das anders: Sie verdient das längst
abgegriffene Prädikat "radikal persönlich": Lennon, der sich im selben
Jahr bei Arthur Janov einer "Urschrei-Therapie" unterzog, war davon
überzeugt, seiner Seelenschmerzen durch schonungslose "Aufarbeitung"
Herr zu werden.
Es beginnt mit "Mother", in dem Lennon seinen Eltern
nachbrüllt, sie mögen ihn nicht verlassen respektive heimkommen; es
endet mit dem knappen "My Mummy's Dead", davor ein Song, in dem Lennon
jeder Religion, jedem Glauben und jedem Traum abschwört, der über das
Hier und Jetzt hinausgeht: "God", mit der programmatischen Zeile "God
is a concept by which we measure our pain." - Lennon hat seinen Schmerz
vermessen auf dieser Platte und damit die Schmerzen vieler getroffen,
die sich seine Fans nennen. Breitz' Aufforderung, die Songs inklusive
aller Schreie zu interpretieren, bedeutet für sie, nicht nur Lennons,
sondern auch ihre eigenen Schmerzen nachzumessen. Dass und wie sie das
tun, macht die unverschämte Gewalt dieser Arbeit aus, die ihre
Subjekte/Objekte bloßstellt in all ihrer menschlichen Erbärmlichkeit,
die zeigt, wie sie mit allen Falten nach Ausdruck ringen, wie sie vor
Anstrengung schwitzen und allenfalls kurz blödeln, weil die Last
darzustellen, was ihnen wichtig ist, ihnen zu peinlich wird.
Dabei wird dem Betrachter nie Spott oder
Geringschätzung nahegelegt, eher die Idee, dass diese Fans das
verkörpern, was Lennon (vielleicht) gemeint hat, als er sang: "They've
tortured and scared you for twenty odd years." Und dass sie es wissen
und reflektieren, dass sie es sich aneignen. In diesem Sinn: ein
humanistisches Kunstwerk.
Bis 28. Februar, Mo. bis Sa., 10 bis 18 Uhr.
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