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Berliner Kunst-Lektionen

Was man von der Berlin-Biennale über das Kunstfeld lernen kann.

Einmal Teilnehmerin statt nur Rezensentin: Bei der 3. Berlin-Biennale, die Mitte Februar eröffnet wurde, ist MALMOE mit von der Partie. Kuratorin Ute Meta Bauer setzt auf politischen Diskurs statt Formalästhetik und hat Arbeiten zu den Schwerpunkten „Migration“, „Urbane Konditionen“, „Sonische Landschaften“ (i.e. Frauen in der elektronischen Musik), „Moden und Szenen“ sowie „anderes Kino“ um den losen Bezugspunkt „Berlin“ gruppieren lassen. Dazu gehört auch eine Hütte im Ausstellungsraum, in der man unsere und andere Zeitungen lesen kann. Wir nützen die Gelegenheit für eine Feldstudie zum Thema „Funktionieren künstlerischer Großevents“. Was haben wir gelernt?

Erstens: Ein Richtungswechsel vom Kommerz- zum Polit-Event kann zwischen allen Stühlen enden. In der lokalen off- und Politkunst-Szene war die Biennale bislang schlecht beleumundet: Ihr Initiator Biesenbach gilt als einer, der sich das Biennale-Hauptquartier, die „Kunstwerke“ in Berlin-Mitte - vormals ein von Kunstschaffenden selbst verwalteter Ort –, unter zweifelhaften Umständen unter den Nagel gerissen und von dort aus eine Schau initiiert hat, die kommerziellen Repräsentationsinteressen dient. Das Team von Ute Meta Bauer, das dieses Jahr die Leitung übernahm, hat zwar einen tadellosen Ruf, aber die Einschätzungen, ob die Biennale dadurch Glaubwürdigkeit gewonnen habe oder bloß schnöde Vereinnahmungspolitik betreibe, sind geteilt.

Gleichzeitig hat die von Bauer im Biennale-Programm betriebene Vernachlässigung der örtlichen kommerziellen Galerien-Szene und ihrer KünstlerInnen zugunsten von internationaler Diskurskunst in einer Stadt, in der die Identifikation mit einem regionalpatriotischen City-Branding bis in die Subkultur reicht, Konsequenzen: In der lokalen Presse hagelt es Verrisse.

Das bringt uns zur zweiten Erkenntnis: Das bei der Biennale in Venedig wiederholt als überholt kritisierte Prinzip der Nationalpavillons ist noch lange nicht tot. Ein Biennale-Artikel im Standard Anfang Februar konzentrierte sich auf die Vorstellung der vertretenen österreichischen KünstlerInnen (und vergaß dabei offensichtlich jene mit ausländisch klingenden Namen). In Berlin ist der implizite Rezeptionstenor v.a. Kritik am Mangel von BerlinerInnen mit deutschem Pass in der Ausstellung – dass viele ausländische Kunstschaffende mit Wohnsitz Berlin eingeladen wurden, wird ignoriert.

Dritte Lektion: Die Propagierung einer „Öffnung zur Gesellschaft“ aus dem white cube klappt nicht. Nachdem Ute Meta Bauer in einem Interview mit dem lokalen TV-Sender rbb ihr Konzept erläutert, mit ihrer Ausstellung gesellschaftliche Bezüge herstellen zu wollen, wird die Biennale im anschließenden bespöttelnden Bericht als abgehobene Insiderveranstaltung dargestellt. Der lokalen Schwulen-Gratiszeitung ist das hochinteressante gay/lesbian-Filmprogramm der Biennale keine Erwähnung wert. Der allgemeine Besucherandrang zur Biennale ist bislang eher mäßig. „Die Gesellschaft“ will im Museum nicht reflektiert werden, sie hat andere Ansprüche an die Kunst: Der Evergreen „ästhetische Erbauung“ steht dort in der Wunschliste nach wie vor auf Platz 1.

Vierte Erkenntnis: Ab einem gewissen Bedeutungsniveau und Öffentlichkeitslevel für eine Ausstellung reichen die üblichen informellen Ausschlussmechanismen nicht mehr aus, um die für das gewünschte Flair erforderliche Exklusivität herzustellen. Bei der Biennale-Eröffnungsparty mussten Türsteher ran. Das Ordnungsprinzip: Leute ohne Einladung raus; Gratiskonsum im VIP-Bereich nur für Menschen mit roten Bändchen; für InsiderInnen 2. Klasse ist nur die Tanzmusik im Unterstock gratis. Beim Zechen kursiert das Gerücht, bei ebay hätte man die eigene Einladung um 100 Euro verschachern können.

Fünfter Punkt: Dem noblen Anschein zum Trotz muss im Kunstfeld alles erstritten werden, notfalls (und sofern möglich) mit Streikdrohung: Die rechtzeitige Fertigstellung der Installationsarbeiten für die eigene Arbeit in der Ausstellung gegenüber den Organisationsverantwortlichen; Mitsprache in der KünstlerInnengruppe, der man selber angehört, beim Arrangement der Exponate; ein Platz an der Tafel beim Gala-Dinner; das Recht auf ein Gratisexemplar des Katalogs für TeilnehmerInnen; Bezahlung für geleistete Arbeit und Ausgaben etc. Selbstverständlich ist nichts.

Sechste Lektion: KünstlerInnen werden ständig mit Geld konfrontiert, kriegen aber keins. Beim Gala-Dinner vor der Eröffnung werden die teilnehmenden Kunstschaffenden einer Runde von SponsorInnen und kunstsinnigen Anzugsträgern zum diskursiven Fraß vorgeworfen. Beim Fraß selber muss aber gespart werden: Die allgemeine Wirtschaftskrise hat der Biennale ein Mini-Budget beschert, das sich allerorts in honorarmäßiger Dürre, in der Ausstellung mit einer kleinen Anzahl an Ausstellungsobjekten, und beim Essen an der Tatsache, dass es an einem Abend Nudeln, am anderen bloß belegte Schwarzbrote gibt, niederschlägt.

Punkt 7: Die Kunst und die Filme, die bei der Biennale zu sehen sind, sind fast durchwegs toll und absolut sehenswert.

3. Berlin Biennale



online seit 17.02.2004 14:27:44 (Printausgabe 19)
autorIn und feedback : Beat Weber




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