Salzburger Nachrichten am 04. Juni 2003 - Bereich: kultur
Scharfes Fleischerbeil trifft süße Schokolade

Berühmte Namen, ungewöhnliche Werke: Kunstraum Innsbruck zeigt Werke aus der Sammlung Ricke

Der Titel der Schau macht den Tiroler "g'luschtig": "Schokolade, was denn sonst." Und dann stolpert man gleich über einen riesigen, leicht geschmolzenen, braun glänzenden Haufen, der leider nicht aus Schoko, sondern aus sterilem Kunststoff ist, "Make" genannt, geschaffen (gemacht) von Carl Ostendarp. Skulptur oder Malerei? Oder beides? (Oder sonst was?)

Die Ausstellung im Kunstraum Innsbruck präsentiert in Zusammenarbeit mit dem Neuen Museum in Nürnberg Beispiele aus der Sammlung Rolf Ricke, die reich an internationalen Namen und ungewöhnlichen Werken ist. Eine Sammlung, die beweist, dass Alltagsgegenstände längst zu Kunstgegenständen mutiert sind. Und die es außerdem nicht gestattet, ihre eigensinnigen Schauobjekte eindeutig dem skulpturalen oder dem malerischen Genre zuzuordnen.

Leicht "zwittrig" angesiedelt zwischen der "New Sculpture" und der Malerei von den 1960er- bis in die 90er-Jahre sind unter anderen David Reeds Bilder, barock bis minimalistisch: Dekorative Linienschwünge, die sich teilweise überlagern und in ihrer gemalten Plastizität einer Scheininszenierung nahe kommen. Die marmorierte "Bildbühne" von Richard Artschwager dagegen ist ganz eindeutig ein androgynes Bild-Skulptur-Wesen. Verspielt verschränkt auch Amy Green Malerei und Skulptur mit ihrer zärtlichen Perlen-Silikon-Lämpchen-Arbeit. Die Grenzen zwischen Malerei und Skulptur verlöschen ebenso in der sensiblen Bilder-Wandinstallation von Steven Hull. Richard Serras Bleispiralen "Lead Piece" hingegen leben allein von Kraft und Gewalt.

Ziemlich gruselig ist die (gottlob unblutige) Fleischerbeil-Installation, die Barry Le Va ganz cool in die Galerienwand geschleudert hat. Ebenso morbid seine zerschmetterten Glasscheiben-Schichten oder die scharfen Schüsse eines zielsicheren Tiroler Standschützen durch die Wand, welche nur diese - und keinen Galerienbummler - getroffen haben. Betroffen könnte jener höchstens über andere Kunstgegenstände wie Blechtonnen, Plastikvorhänge oder Alu-Schubkarren sein. Ist er aber nicht, weil doch mittlerweile jeder Kunstkenner weiß, dass "die Wandlung der vorgefundenen Objekte zu Kunst weniger durch greifbare Intervention als vielmehr durch konzeptuelle Überlegungen" stattzufinden hat. Okay?

HELGA REICHART

Kunstraum Innsbruck bis 21. Juni; Mo.-Fr. 11-18 Uhr; Do. 11-20 Uhr