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12.04.2003 - Kultur News
Interview mit Karlheinz Essl: "Ich kenne die Hölle des Malens"
Der erfolgreiche Unternehmer und Kunstsammler im Gespräch über Museen, Maler und die Konkurrenz in Wien.
VON MICHAEL FLEISCHHACKER UND NORBERT MAYER


Die Presse: Was würden Sie einem Studenten raten? Was für Kunst soll der kaufen?

Karlheinz Essl: Wichtig ist, was ihm gefällt. Er soll nur nicht spekulativ sein, nach der Vorstellung: Jetzt sammle ich und mache in kurzer Zeit ein Vermögen. Man sollte sich auch gut informieren. Oft kann etwas vordergründig Schönes nach weiterem Hinschauen nicht halten, was es versprochen hat. Ich würde mit Druckgrafiken anfangen. Sie kosten zwischen 200 und 500 Euro.

Wie kauft dagegen ein Millionär ein?

Essl: Dadurch, dass wir schon eine große Sammlung haben, sind wir viel selektiver geworden. Am Anfang haben wir geschaut, dass die Basis vorhanden ist, österreichische Kunst. 1990, als der Kommunismus zusammengebrochen ist, hatte ich schon die Vision, mit dem Baumarkt nach Osteuropa zu gehen. Plötzlich war Wien wieder im Zentrum des zentral-osteuropäischen Geschehens. Die Eigenstaatlichkeit, diese auch für Österreich typische Eigenbrötelei, sollte sich auflösen. Da haben wir begonnen, internationale Kunst zu sammeln.

Aber eben nicht osteuropäische.

Essl: Nein. Das war mir noch viel zu unbekannt, ein Buch mit sieben Siegeln.

Die osteuropäischen Länder sind doch nach wie vor unerschlossen?

Essl: Ja, das ist ein guter Ausdruck. Man sagte, jetzt werden die Schleusen geöffnet, aber das war für mich eigentlich die große Enttäuschung, weil es mit gewissen Ausnahmen nicht dieser große Dammbruch war. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Kunst auch ihre Freiheit braucht.

Woher kommen die großen Innovationen?

Essl: Wenn man die letzten 50 Jahre Revue passieren lässt, waren es die Amerikaner. Jackson Pollock, also dieser automatische Expressionismus, Rauschenberg und Lichtenstein, später auch Warhol, die auf die Konsumgesellschaft reagiert haben, mit gesellschaftsbezogener Kunst. Rainer war ja auch ein Künstler, der etwas ganz Neues geschaffen hat, nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Er hat angefangen, alles über Bord zu werfen, wild darauf losgemalt und immer wieder übermalt, übermalt, bis ein schwarzes Bild entstanden ist. Die nächste große Zeit waren die 60er Jahre, mit den Happenings in Amerika, dem Aktionismus in Österreich - der Aufstand der Jugend gegen das Establishment.

Man sagt, in Wien gibt es zuviel Konkurrenz. Was bedeutet das für ein Museum?

Essl: Es ist so wie im Wirtschaftsleben. Wenn man eine schöne Marktposition erreicht hat, dann will man sie abschotten und hat am liebsten eine Ruhe. Wir wissen aber, dass die freie Marktwirtschaft immer noch das Beste ist - mit all den negativen Erscheinungen. Ähnlich ist es in der Kunst. Ich glaube, dass es hier diesen traditionellen Museums-Begriff nicht mehr gibt. Ein Beispiel: Soll die Albertina heute Malerei zeigen, oder soll sie sich auf ihr ursprüngliches Konzept der Grafik konzentrieren? Ich glaube, sie muss den grafischen Bereich weiter exzellent betreuen, weil das ihr historischer Auftrag ist. Aber nach dem Ausbau sind nun große Ausstellungsräume vorhanden, die gefüllt werden müssen. Herr Seipel zeigt im KHM moderne Kunst, Herr Schröder zeigt jetzt in der Albertina die alte Kunst, oder geht von der alten zur neuen. Wo sind hier Konzepte zu erkennen, wo sind Abgrenzungen sinnvoll und notwendig? Man muss das heute viel lockerer sehen. Einschränkungen machen keinen Sinn.

Die strukturelle Einschränkung ist Geld!

Essl: Das ist richtig und auch das Problem. Vor allem die öffentlichen Museen stehen unter einem enormen Leistungsdruck. Die müssen ihren Geldgebern, dem Staat, immer wieder eine höhere Besucherfrequenz nachweisen. Sonst kriegt man weniger Subventionen. Das Geld wird knapper. Die Leute müssen sich jetzt mehr und mehr an die Wirtschaft wenden. Wir können hier einen anderen Weg gehen. Es ist nicht sinnvoll, nur populistische Ausstellungen zu machen. Aber jeder Politiker lässt sich die Besucherzahlen vorlegen. Wehe, es geht mal runter. Und wie kann man am leichtesten Besucher rein bringen? Mit Kunst, die man kennt, die die Leute wollen.

Also klassische Moderne.

Essl: Genau. Das ist ja wirklich weltweit zu sehen. Das ist ja nicht nur ein Trend für Österreich. Überall, wo sie hinschauen, von Picasso bis Monet, Matisse, bis Gauguin, Van Gogh in der 100.000sten Variante.

Man könnte ja fairen Wettbewerb machen und sagen, die Privaten sollen mutig sein.

Essl: Das sehe ich überhaupt nicht so. Das ist zutiefst Aufgabe staatlicher Museen. Aber auch wir haben nicht die Möglichkeit, jeden jungen Künstler aus der Akademie zu zeigen oder gar zu kaufen. Es gibt in Österreich 3000 Maler. Wir können vielleicht 150 in unserer Sammlung aufnehmen, müssen sehr selektiv vorgehen und haben auch einen enorm hohen Qualitäts-Level. Das ist bei den großen Museen extrem ausgeprägt. Wenn meine Frau und ich neue Künstler aufnehmen, dann dauert es auch eine gewisse Zeit, bis wir der Meinung sind, es ist nachhaltige Qualität da. Man kann geschwind einmal ein schönes Bild sehen und begeistert sein, aber was kommt danach?

Die Bewertung der Kunst ist heikel. Gibt es Künstler, von denen Sie glauben, denen habe ich das viel zu billig abgeknöpft?

Essl: Daran kann ich mich nicht erinnern.

Gibt es umgekehrt Bilder, die teure Mode waren und Ihnen nicht mehr gefallen?

Essl: Es war ein enormer Lernprozess. Der Rainer war am Anfang für mich grauslich, Nitsch war für mich unverständlich, noch viel mehr für meine Frau. Oder der Aktionismus. Als der begonnen hat, konnte ich mir nie vorstellen, dass das von meiner Zeit her einmal verstanden werden könnte, aber das hat sich dann im Lauf der Zeit gegeben. Meine Frau und ich haben uns ja 40 Jahre ganz intensiv mit der Kunst auseinander gesetzt. Wir suchen Künstler, wir machen Atelierbesuche, wir sind befreundet, und das ist ja auch ein wichtiger Punkt. Es geht nicht nur ums Sammeln, sondern auch darum, mit den Künstlern persönlich zu sprechen.

Sie haben selbst gemalt. Wo haben Sie diese Bilder? Wer sieht die?

Essl: Die habe ich in der Sammlung irgendwo im Depot versteckt. Niemand sieht die. Nein, die will ich nicht ausstellen. Das können meine Erben tun, wenn sie glauben dass es sinnvoll ist. Das Malen war für mich nie eine Erholung, sondern eine aufregende Geschichte. Ich kenne die ganzen Höhen und Tiefen, die Hölle des Malens - vor der weißen Leinwand zu stehen und sich die Welt jedesmal neu zu erfinden.



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