Quer durch Galerien
Zahnspangen für Wittgenstein
Von Claudia Aigner
Der Kameltest: Man nehme ein Kamel und versuche es, durch
gutes Zureden, durch ein Nadelöhr zu treiben. Und wenn das Kamel
verweigert (aus Angst vor den Quetschwunden), dann entspricht das Nadelöhr
den EU-Normen. Schmarren. Kein Schmäh ist es aber, dass man das Kamel im
Nadelöhr nicht mehr vergebens sucht. Wolfgang Rahs (bis 30. März in
der Galerie Slavik, Himmelpfortgasse 17) hat eine Art Spielzeug gebastelt:
eine Schmucknadel mit einem kleinen Kamel zum Durchschubsen.
Möglicherweise was für Bill Gates, der dann bei jedem erfolgreichen
Schubser ausrufen kann: "Ätsch, ich komm doch in den Himmel!" Das Öhr ist
übrigens eine maßstabsgetreue Kopie der Eingangstür der Galerie und exakt
so groß wie die Abbildung der Tür in einer Broschüre. Raffiniert ist es,
wenn Rahs seine Lieblingssätze in Büchern mit Gold "anstreicht" bzw.
einrahmt und daraus Ohrgehänge macht. Ausstechformen für Sätze sozusagen.
Oder Keksformen für die Erkenntnis. Die Gedanken, die ja immateriell sind,
haben dann quasi Ausgang, während die Buchstaben im Buch daheim bleiben.
Und irgendwann kommen die Gedanken vom Luftschnappen wieder zurück ins
Buch. Zum Auftanken. Denn wirklich lesen kann man die Satzsilhouetten ja
nicht, die einem Zitat freilich wie angegossen passen und sich sogar an
die sanfte Biegung der Seiten im aufgeschlagenen Buch schmiegen wie des
Kaisers neue Kleider an den Kaiser oder wie Zahnspangen ans Gebiss. So
gesehen hat Rahs dem kleinen Prinzen und Wittgenstein intellektuelle
"Zahnspangen" verpasst. Und Wittgenstein "bleckt die Buchstaben". Ein
andermal hat Rahs ein als Brosche verwendbares Stützkorsett für ein
lädiertes Armband kreiert. Sein Schmuck kuschelt sich wie kreative
Prothesen an die Welt, in der die Dinge herumstehen, und an die Welten im
Bücherregal. Und führt ein spannendes Doppelleben als Teil eines
skulpturalen Ensembles und als eigenständige Schönheit. Eh klar: ein
Russe. Der kann sich halt nur eine Leinwand leisten. Die macht er voll,
fotografiert das Bild ab und malt dann das nächste drüber. Oder doch
nicht? Anatolij Shuravlev, ein Russe mit Berliner Atelier, hat sicher
andere Gründe, warum er seine Gemälde nur als Fotos (als Illusion von
Malerei) in die Galerie Charim hängt (Dorotheergasse 12, bis 24.
März). Dazu, dass er also dem Betrachter das Original verweigert, passt,
dass er sich drei Monate lang in die unendlichen Weiten von Captain Kirk
und vom immerwährenden Lippenstift quasi eingeschlossen hat: im
Patschenkino, wo ja auch nur die Fiktion von Liebe, Tod und Action läuft.
Und dann hat er an die Wand eine kleine Galaxie aus 800 klitzekleinen
Gesichtern geklebt, die er direkt vom Kastl abfotografiert hat, das einem
die Mühe abnimmt, selber zu leben. Zugegeben: Das Konzept der Arbeiten ist
interessanter als ihre "Leibhaftigkeit". Spontan (und offenbar sehr
inspiriert) hingekritzelte Damen in lustvollen Stellungen, sensibel
laviert. Dazu weiß Karl Mostböck auch noch die "Erotik" von bereits
anderweitig gebrauchtem Papier zu nutzen (die Knicke, Risse und Notizen).
Kleine, intime Blätter voller Sinnlichkeit. Bis 22. März in der Galerie
Lang (Seilerstätte 16).
Erschienen am: 15.03.2002 |
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