VON ARIANE GRABHER
St. Gallen (VN) Stell dir vor es ist
Gelatin und keiner wird nass. Was angesichts der letzten Projekte
des österreichischen Kunstlabels fast unglaublich klingt, wird in
der Kunsthalle St.Gallen Wirklichkeit. "Flaschomat", eine
"Weltneuheit", nennt sich die hinreißende, raumfüllende Installation
des österreichischen Biennale-Beitrages vom vergangenen Jahr.
Gelatin das sind Wolfgang Gantner, Ali Janka, Florian
Reither und Tobias Urban. Vier Männer in den Dreißigern, ein
Politikwissenschafter, ein Künstler, ein Diplomingenieur und ein
weiterer Künstler. Gelatin das ist billiges Material und eine
Riesenidee, das ist Poesie und Provokation. Gelatin steht aber auch
für einen unmittelbaren, emotionalen Zugang zur Kunst, für
Erfahrungen jenseits der grauen Theorie und für ein Erleben am
eigenen Körper.
Knacksend, rülpsend
Und den spürt man unter anderem besonders gut, wenn er
nass wird. So zieht sich das Element Wasser seit den 90er Jahren
mannigfach durch das vielgestaltige Werk der Kunstabenteurer: ein
Schlürfbrunnen, eine Beachparty mitten in New York, das Tauchloch an
der Expo 2000 in Hannover oder das in eine Sumpflandschaft
verwandelte Gelände vor dem österreichischen Biennale-Pavillon in
Venedig.
Mit dem Wasser tauchen auch immer wieder Löcher und Öffnungen als
typische Gelatin-Werkzeuge auf. Doch sind die Löcher des
österreichischen Kunstquartetts nicht einfach banale Vertiefungen.
Auf einer psychologischen Ebene sozusagen mit Tiefgang operierend,
durchbohren sie vielmehr auch die Kunstwelt wie einen Schweizer
Käse. "Flaschomat", "dieses knacksende, rülpsende, megaunheimliche
Ding" (Gelatin) ist ein aus alten Holztüren, einer Dachbodenleiter
und Abfallholz zusammengebastelter, verdauungsähnlicher Apparat, in
den sich der Betrachter hineinschießen lassen kann. Das Schießen ist
zwar mehr ein ächzendes, schweißtreibendes Schieben, aber es
ermöglicht dem wagemutigen Besucher (gefordert sind körperlich
gesunde und fitte Personen, ohne Platzangst) eine Reise ins
petflaschengefüllte, geheimnisvolle Innere des Flaschomaten.
Lustprinzip
Durch Farben und Flaschen tauchend, sich bewegend oder
einfach nur ausruhend gerät die Expedition - die man mit Vorteil mit
anderen Personen unternimmt - zugleich auch zu einer Reise ins Ich.
Wieder ausgespuckt wird man über eine Rutsche. Gelatin arbeiten nach
dem Lustprinzip, und das erfährt auch der Besucher, dessen Fantasie
und Spieltrieb gefordert ist.
Dass die Installation dennoch nicht zum Funpark verkommt, dafür
sorgt einmal mehr die äußerst präzise Choreografie. Sie vereint -
wenn auch zugegebenermaßen medienwirksam - zelebrierten Slapstick,
improvisiert wirkende Aufbauten und aktionistische Elemente.
"Gelatin": Arbeiten nach dem Lustprinzip. (Foto:
Stefan Rohner/Kunsthalle St. Gallen)