Auch das ist Realität: Joan Crawford wirbt für Tabakprodukte. James Rosenquist: "Untitled" (Joan Crawford says, 1964).
Die beeindruckend monumentale Schau zeigt 250 Werke von der Pop-Art bis zur Gegenwart.
Wien - Gewöhnlich habe er für die Realität nicht viel übrig, ließ Ralph Goings einst verlauten. Ihn interessiere lediglich die gemalte Illusion. Ähnlich nonchalant und oft kokett mutet die Programmatik vieler anderer, ab heute im Mumok ausgestellter Fotorealisten an: keine Kunst, bitte, kein Stil - die Oberfläche ist der Inhalt.
Teilweise von Pop-Art oder abstraktem Expressionismus kommend, begannen amerikanische Künstler Ende der 1960er-Jahre, Fotografien möglichst detailgenau in Gemälde umzuwandeln. Kriterium für die Motivauswahl war vor allem eines: größtmögliche Banalität. Von Ralph Goings Ölgemälde Airstream (1970) blitzt das Chrom eines Wohnwagens, von Eddy Dons Untitled (Volkswagen) (1971) funkeln die Felgen. Neben Autos sind Straßenszenen und Konsumgüter ein beliebtes Sujet; der amerikanische Way of Life, real bis zur Surrealität.
Bereits bevor die Fotorealisten 1972 auf der Documenta 5 weiten Kreisen ein Begriff wurden, waren Peter und Irene Ludwig passionierte Sammler dieser heterogenen Kunstrichtung. Der Initiative Susanne Neuburgers ist es zu verdanken, dass der Bestand der Sammlung Ludwig an Fotorealismus nun erstmals geschlossen zu sehen ist: Aus den fünf Ludwig- Museen (Wien, Aachen, Köln, Koblenz und Budapest) wurden rund 250 Arbeiten zusammengetragen. 2011 wird die Gemeinschaftsausstellung auch in Aachen und Budapest zu sehen sein.
Von Pop-Art zu Porn-Art
"Ein überbordendes Thema", fasst Neuburger, die die Ausstellung gemeinsam mit Brigitte Franzen kuratierte, zusammen. So breit das Spektrum, so großformatig auch viele der Arbeiten. "Untitled (Mapleton)" (1971/1972) von Paul Sarkisian etwa misst mehr als vier mal acht Meter. Überlebensgroß auch die sehr unterschiedlichen Porträts von Chuck Close, Franz Gertsch und Thomas Ruff. Big is Beautiful und für den, der nicht weniger als die Realität schaffen will, Pflicht. Verdaulich wird die Masse an Arbeiten durch die Aufteilung in thematische Häppchen. Alte Bekannte aus der Pop-Art wie Warhol oder Lichtenstein sind ebenso zu sehen wie Werke zeitgenössischer Künstler und frühe Fotoarbeiten.
In der Sektion "Pornografie und Kunst", von Neuburger als "unsere kleine kritische Ecke" bezeichnet, wird aus Pop-Art Porn-Art. In knallbunten Farben präsentierte Mel Ramos 1976 Frauen mit blanken Busen oder völlig hüllenlos auf exotischem Tier-Beiwerk. Einen auf Pygmalion machte John De Andrea und schuf nackte Frauenskulpturen, detailgetreu bis zur Schamhaarperücke.
Trotz der bis zum Anschlag propagierten Objektivität üben einige Arbeiten mehr oder weniger implizit Kritik an gesellschaftlichen und politischen Zu- und Missständen. Und auch mit dem Diktum "Keine Kunst" ist es bisweilen nicht weit her: Botticelli wird ebenso zitiert wie Caravaggio oder Picasso. Wo andere Fotorealisten ein Foto als Vorlage benutzten, wurden hier bevorzugt Poster aus dem Museumsshop verwendet. Die Realität wird ausgeblendet in diesem selbstreferenziellen Kreisel der Kunst. Ist der Realismus am Ende gar nur Flucht vor der Realität "da draußen"? Franz Gertsch beantwortete diese Frage erschöpfend: "Ich weiß es nicht, lasst mich malen!" (Andrea Heinz / DER STANDARD, Printausgabe, 22.10.2010)
Bis 13. 2. 2011
Paul
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