Galerien live
Staubsauger sehen alles
(cai) Performance? Ist das nicht diese Verhaltensstörung, wo man vor
Publikum lauter unappetitliche Sachen macht? Nein, anscheinend doch
nicht. Oder nicht mehr . Jedenfalls wird einem in der Ausstellung "Performance II" nicht einmal ein bissl
übel. Außer natürlich, man missversteht so wie ich Jan Machaceks
interaktive Vorrichtung (ein Staubsauger plus Monitor) als unverschämte
Aufforderung, das Publikum möge mit diesem pseudomedizinischen
Instrument gefälligst selber das Schweindl rauslassen.
Ich hab tatsächlich gedacht, der Saugschlauch mit der kleinen Kamera
sei ein improvisiertes Endoskop. Motto: Wer die Kunst liebt, der
schiebt .. . sich das sonstwohin. Man soll sich damit aber eh bloß aus
der Kleiderbürstenperspektive betrachten. Eine surreale Erfahrung
übrigens. Und Roberta Lima, die gern ihr Innerstes preisgibt, also
blutet, tut das auch hier , doch führt das diesmal zu einem
völlig abstrakten Bild. Nein, nicht zu so einem wie vom Nitsch. Zu
einem Chaos aus bunten Punkterln! Die hängen irgendwie mit Limas RNA
zusammen (aus einer Blutprobe), die im Labor mutiert ist. Gut, ihre
Live-Martyrien (Roberta-dolorosa-Darbietungen) sind aufregender. (Auf
ihre bedenkliche Art.) Optisch gibt der mikroskopische Exhibitionismus
halt nicht viel her.
Aus den durchwegs originellen Beispielen (flüchtige Aktionen werden
in Film oder Foto übersetzt) sticht besonders Katharina Gruzeis
eindringlicher Beitrag heraus, wo zwei Frauen in Gebärdensprache
kommunizieren (sich ohrfeigen oder anspucken). Durch die extreme
Zeitlupe (man lässt sich da quasi jede Watsche genüsslich auf der Wange
zergehen) und durch die unbehaglichen Soundeffekte wird eine
zwischenmenschliche Intensität erreicht wie beim Kampf Rocky gegen
Apollo Creed. Und das ganz ohne Veilchen.
Fotogalerie Wien
(Währinger Straße 59)
Performance II
Bis 30. September
Di. – Fr.: 14 – 19 Uhr
Sa.: 10 – 14 Uhr
Plumpsklo to Hell
(cai) Beim Bernhard Tragut kann man sich nie sicher sein: Ist das nun
katholisch oder freudianisch? Seine gschmackig bemalten Schnitzereien,
die es einem mit ihrer ungezwungenen Art nicht gerade schwermachen, sie
zu mögen, sind auf jeden Fall sehr volkstümlich. Ein Schrein hat gar
Ähnlichkeit mit der Freden/Höllviken Waschbecken-Schrank-Kombination
von Ikea. Bei beiden kann man vorn ein Türl aufmachen. Na ja, das war’s
schon mit der Ähnlichkeit. Mit Traguts Schränkchen kann man also so
intimen Umgang pflegen wie mit einem Adventkalender: ein Türl öffnen.
(Pfui, das g’hört sich aber echt nicht! Zur ehrbaren Kunst muss man
einen Respektsabstand einhalten!) Und was ist hinterm Türl? So etwas
wie ein Schmerzensmann. Der schaut aus, als hätte er im Wirtshaus Amok
gegessen und getrunken. Dem Tragut ist nix Menschliches fremd. Der
Ministrant kommt bei ihm auch immer wieder durch. Ein Bürschchen setzt
er ohne Gnade auf einem Donnerbalken aus, unter dem der Höllenschlund
gähnt. Gemein.
Galerie Kastowsky
(Invalidenstraße 15)
Bernhard Tragut
Bis 30. Oktober
Mo. – Fr.: 14 – 18 Uhr
Sa.: 10 – 13 Uhr
Schneeblinde Galeristen
(cai) Dass man den Yeti vor lauter Himalaja nicht sieht, das ist
normal. Doch wenn einer behauptet, man sähe ein Bild von Ingo
Nussbaumer, obwohl es eindeutig zwei Bilder sind, muss der
von der weißen Wand schon halbert schneeblind sein. Oder ist das der
Galeristenhumor? (Kennen Sie den? Eins plus eins ist eins.) Die
abstrakten Malereien selbst (auch die von Geneviève Claisse und
Katherine Porter) sind ja ungefähr so humorlos wie mein
Wohnzimmerteppich. Fad? Eh nicht. In Porters Frühwerk kann man
zuschauen, wie ein Pinsel in die Pubertät kommt. (Der will ständig das
Muster sabotieren.)
Galerie Hubert Winter
(Breite Gasse 17)
Claisse, Porter . . . und
ein Bild von Nussbaumer
Bis 3. Oktober
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr
Sa.: 11 – 14 Uhr
Printausgabe vom Mittwoch, 23. September 2009
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