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Kunstberichte
Werkstätten- und Kulturhaus (WUK) zeigt "Bless my homeland forever"

Kunst sucht die Heimat

Auch Kriegsdenkmäler 
erinnern, doch unter selektivem Blickwinkel. Foto: Karoline Mayer

Auch Kriegsdenkmäler erinnern, doch unter selektivem Blickwinkel. Foto: Karoline Mayer

Von Stefan Beig

Aufzählung Eine Kunstschau über Heimatbezüge.
Aufzählung Wie das Erinnern an Geschichte die eigene Identität prägt.

Wien. Bei vielen Menschen weltweit wird es "klingeln", wenn sie den Titel der neuen Schau in der Kunsthalle Exnergasse im WUK hören: "Bless my homeland for-ever". Der Satz stammt aus dem Song "Edelweiß", der am Ende des Musicals "The Sound of Music" (deutscher Titel: "Meine Lieder – meine Träume") erklingt. In seiner Verfilmung war dem Musical ein beispielloser Siegeszug beschieden. Seit Mitte der 60er Jahre zählt "The Sound of Music" zu den zehn Filmen erfolgreichsten aller Zeiten. Bis zum heutigen Tag prägt er von China bis Lateinamerika das Bild der Österreicher als naives, glückliches und folkoristisches Volk.

Nur Österreich selbst hat dieses Bild nicht überzeugt: Der Film ist hierzulande weitgehend unbekannt, die Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbstbild könnte größer nicht sein. Warum? Das fragte sich auch Karoline Mayer, eine der Kuratorinnen der Ausstellung, als sie den Streifen in England zum ersten Mal sah. Sie meint, es liege an dem Auftreten überzeugter Nazis bereits vor dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland. Das passte nicht in das Bild vom ersten, kollektiven Opfer Nazideutschlands.

"Wie weit wird unsere Identität durch die Sicht auf unsere Geschichte geprägt?" Dem geht Karoline Mayer in der Schau nach. In ihrem "Katalog österreichischer Kriegsdenkmäler" hat sie mit Fotos und durch Aufschreiben der Texte jener Monumente österreichischer Erinnerungskultur die selektiven, über die Zeit sich wandelnden Sichtweisen auf den Ersten und Zweiten Weltkrieg festgehalten. "Gedenket eurer toten Helden in dankbarer Erinnerung. Sie kämpften und starben für eure Heimat", heißt es auf einem etwa.

Verdrängte Realität

Als Dokument für die Toten ist auch Susan Silas Fotodokumentation "Helmbrechts Marsch" zu verstehen. Die amerikanische Künstlerin hat den 22-tägigen Todesmarsch von 580 jüdischen, weiblichen KZ-Häftlingen durchschritten und jeden Tag auf je zwei Fotos festgehalten. Die abgebildete Natur wird zum Zeuge verdrängter Geschichte.

Mit nationalen Identitäten können auch blutige Konflikte angezettelt werden, etwa in Ex-Jugoslawien. Nada Prlja fügte in ihrer Installation die serbische, kroatische oder kosovarische Flagge zu neuen, verschiedenen Phantasie-Flaggen zusammen, deren Aufstellungen an verschiedenen Orten im ehemaligen Jugoslawien starke Emotionen auslösten – positive wie negative.

Manchmal gelingt anscheinend kein einheitlicher, in sich stimmiger Blick Vergangenes. Das verdeutlichen die "Objekte des Kriegs" des libanesischen Künstlers Lamia Joreige, der in mit Filmkamera aufgezeichneten Interviews die persönlichen, je sehr verschiedenen Erlebnisse der Interviewten zur Zeit des Libanon-Kriegs festgehalten hat. Hier erscheint es unmöglich, die "eine" historische Wahrheit zu finden.

Kunst kann dabei helfen, verdrängte Erinnerungen zu verarbeiten. "The Sound of Music" scheint freilich eher ihre psychologische Kraft zu verdeutlichen. Sein etwas kitschiges Österreichbild wird von Zeithistorikern nicht übernommen. Die Massen hat es überzeugt. Die visuelle Kraft ist stärker als die Realität.

http://www.kunsthalleexner-gasse.wuk.at



Printausgabe vom Donnerstag, 16. September 2010
Online seit: Mittwoch, 15. September 2010 20:10:00

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