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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
28. Oktober 2008
18:58 MEZ

Eröffnung: 30. 10, 19.00

 

Hier wird im Museum moderner Kunst bis Ende Jänner Überwältigung vollzogen: Peter Koglers Raum der stürzenden Linien, tanzenden Raster und beschwipsten Betrachter.


Wie alles angefangen hat: Kogler-Haus aus Karton und Kohle, 1983.


Oberster Urheber Dekor
Das Museum moderner Kunst zeigt das Werk von Peter Kogler: Dessen kaum bekannte Arbeiten aus den frühen 80er-Jahren schließen nahtlos an die aktuellen Großraumeffekte an

Wien - Einer der Vorzüge des Ornaments ist seine Weltlosigkeit: Einmal isoliert, können Motive wie auch immer seriell verknüpft wo auch immer zur Anwendung gebracht werden - nicht zwangsläufig sinn-, jedenfalls aber zierstiftend. Einmal befreit zum Muster erhoben, wird das Dekor zur Offenbarung: Es zeigt sich. Es übersteigt den Raum seiner Anwendung. Es ist, was es ist. Im Wesentlichen ist es kritikresistent, jeder Assoziation gegenüber offen, erhaben über die Zeit seiner Anwendung.

1992, im Jahr von Peter Koglers erster Teilnahme an der Kasseler Weltkunstschau Documenta, drang die technologische Machbarkeit der Vernetzung von Welt ins gemeine Bewusstsein, und also kamen seine Röhren und verzweigten Labyrinthe als Metaphern für Internet und sonstige Verkabelung gerade zupass.

Womit ein Zentralmotiv in Koglers OEuvre bestätigt worden war: Wiederholung, die sich, je nachdem, als avantgardegeborenes Prinzip des Seriellen bzw. als kritischer Kommentar zur aktuellen sozialen Lage deuten lässt. Klar war: Existentialismus ist Peter Kogler Sache nicht. Nicht die subjektive Befindlichkeit Einzelner, sondern die Organisation aller als Gesellschaftskörper bildet die Muster seiner Tapeten aus. Da lag es nur nahe, die Ameise und die Ratte als Motiv zu wählen. Beide bilden als Volk komplexe Organisationsformen, gleichnistaugliche Staatswesen. Bürger beider Gattungen sorgen auf scheinbar chaotischen Wegen gemeinsam für straffe Organisation. 1981 verfolgte Peter Kogler mit der Super-8-Kamera eine Ameise auf deren Zickzack-Kurs über eine Zeitungsseite. Das - aus der Perspektive des Größeren - charakterlose Tier beobachtete er auf seinem Irrweg durch die Buchstaben, durch ein unlesbares Angebot an Information. Und zugleich entdeckte er das Insekt als Autor, als Mustergenerator.

Im Medium Film gebannt, versetzte diese Beobachtung in Bewegung, was Kogler vorher statisch, althergebracht, umgesetzt hatte. Seit den späten 70er-Jahren schon bildeten verkettete, anonymisierte Menschen Wände oder Hausdächer aus, schlossen sich Männchen ohne Zahl zu Bilderrahmen zusammen, überzogen organisierte Massen architektonische Strukturen.

In der geschlossenen Formation vollzog das Organische die Vereinigung mit der Symmetrie, mit dem Kristallinen, mit der neuen Welt der Pixel. Naheliegend, dem Kanon der Grundmotive auch jenes des Gehirns beizufügen: Symmetrisch angelegt und in verschlungenen Bahnen so organisiert wie die uns nicht ohne weiteres logisch nachvollziehbaren Bahnen der Ameisen, steht es für die Steuereinheit, für das Urmuster der Zentrale.

In der aktuellen Werkschau im Mumok tritt die Zentrale unter anderem als schematisierter Aluminiumguss auf. So unscheinbar dieses Hirn im Saal liegt, so durchschlagend sind die Auswirkungen auf dessen Erscheinungsbild. Die Polygonale von Peter Koglers Hirnmodell werden an die Wände des Kubus geworfen; als verworrenes Lineament rhythmisiert die Oberfläche des Zentralmodells den Ausstellungsraum. Den wiederum eine weitere Struktur prägt: Ein in Edelstahl gefertigtes Leitsystem führt den Besucher auf verschlungenen Wegen von A nach B, romantisch mäandernd simuliert es Richtungswechsel - und führt doch gnadenlos zum vorprogrammierten Ziel.

Kogler, das ist Ordnung: Da sind - zwecks Allover-Effekt - die Ränder einer Projektion ebenso mit jenen der anschließenden verlinkt, wie die einzelnen Bahnen einer Tapete auch immer wieder ein flächendeckendes Muster generieren. Und da zeigt sich, dass die endlose Wiederkehr von ein und demselben Weg - in der schönsten Installation der Ausstellung - nur deswegen zu ertragen ist, weil die Erinnerung an dessen letzte Begehung so rasch verblasst. Und also keine Hoffnung aufkommen kann.

Und braucht. Animiert dienen die Muster der Überwältigung. In einem quadratischen Raum auf der Eingangsebene des Mumok kommt es zum Höhepunkt der Show. Hier greift Peter Kogler ganz tief in die Trickkiste, ein Feuerwerk zu zünden, das - weil physisch erfahrbar - auch noch letzte Fragen im Keim ersticken soll.

Hier zeigt sich der State-of-the Art einer Großraumdiskothek, hier wird offenkundig, dass Ablenkung am Ende doch der einzig mögliche Weg ist, das Glück zu finden. Hier offenbart das Ornament seine Überlegenheit. (Markus Mittringer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 10. 2008)

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