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14.12.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Süß küssende Maria
VON DANIELA TOMASOVSKY
Schatzkammer. Ikonen (un-)bekannter Heiliger.

Nein, furchteinflößend ist er wirklich nicht, der Nikolo - zumindest dann nicht, wenn man ihn mit den Augen des 15. Jahrhunderts sieht: Ein gütiger älterer Herr im Messgewand, in der linken Hand die Bibel, die rechte Hand zur Segensgeste erhoben - so sahen die Ikonenmaler auf Kreta den Bischof von Myra. Gleich zweimal ist der Heilige Nikolaus in der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums vertreten: Die Schau "Der Glanz des Himmels" zeigt 47 griechische Ikonen aus der Sammlung Emilios Velimezis. Der zweite, schon viel plastischere, aber nachgeahmte "Nikolo" stammt von Emmanuel Tzanes aus dem Jahr 1683.

Die meisten Werke der Ausstellung entstanden aber im 15. und 16. Jahrhundert in kretischen Malwerkstätten - und somit in der Hochblüte der byzantinischen Ikonenmalerei. Wieso diese gerade in Kreta florierte? Schon vor dem Fall Konstantinopels (1453) waren Künstler und Gelehrte aus der Hauptstadt und vom Festland auf die Insel geflohen. Aufzeichnungen besagen, dass von 1453 bis 1526 allein in Heraklion 120 bekannte Ikonenmaler arbeiteten.

Zu den prächtigsten Bildern gehören drei Darstellungen der Gottesmutter. Zweimal ist Maria als "Glykophilousa" (übersetzt: die "süß Küssende") abgebildet: Liebevoll hält sie Jesus in den Armen, das Baby schmiegt seine Wange an die der Mutter. Ganz anders die Gottesmutter "Hodegetria" (die "Wegweiserin"): Sie hat Distanz zu ihrem Kind, der Blick ist in die Ferne gerichtet.

Durch den regen Ikonen-Export hatte das Marienbild des Ostens großen Einfluss auf das des Westens. Wie sich übrigens auch die byzantinischen Künstler von Stilelementen der italienischen Malerei des 14. und 15. Jahrhunderts inspirieren ließen. Schließlich war Kreta venezianische Provinz, viele Maler hatten gute Kontakte nach Venedig oder lebten sogar einige Zeit dort.

Kaum einer kam jedoch so viel herum wie Domenikos Theotokopoulos, der später in Spanien als El Greco berühmt wurde. Auch er hatte in Kreta als Ikonenmaler begonnen. Seine "Passion Christi - Pièta mit Engeln" ist das Prunkstück der Ausstellung: Der grünliche Hautton des Leichnams Christi, dessen halb aufrechte, halb in sich zusammengesunkene Haltung sowie die drei Engelsgestalten mit ihren entrückten Mienen und den faltenreichen Gewändern zeugen von einer Meisterschaft, die bereits den Spätstil des Meisters ankündigt.

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