„Eintrittspreise in Museen ver-x-facht“
Kulturpolitik. Österreichs Kulturpolitik zeigt beachtliche Widersprüche.
Hedwig Kainberger Kulturpolitik sei in Österreich kaum erforscht, kritisiert der Berater und Wissenschafter Heimo Konrad, der an der Universität Graz und der Hochschule für Musik und darstellende Kunst zu diesem Thema Vorlesungen hält.
Warum ist es nötig, ein Buch über österreichische Kulturpolitik zu schreiben?
Konrad: Es gibt in Österreich noch kein Überblickswerk. Es gibt auch keine universitäre Institution, die vorrangig Kulturpolitik erforscht und analysiert.
Seit wann gibt es österreichische Kulturpolitik?
Konrad: Die Anfänge sind diffus. Es gab im 18. und im 19. Jahrhundert Initiativen der damaligen Herrscher, denen man das Attribut „kulturpolitisch“ geben könnte, etwa die Gründung der Vorläuferinstitution der Akademie der bildenden Künste (1726 gründete Kaiser Karl VI. eine öffentliche kaiserliche Hofakademie, die in Malerei, Bildhauerei, Architektur und Kupferstecherkunst unterrichtete, Anm.). Oder man kann den Beginn von Kunstförderung am Datum 1825 festmachen, als Kaiser Franz I. eine bestimmte Summe zum Erwerb von Kunstwerken budgetieren ließ.
Ab wann steht Kultur als Staatsaufgabe außer Streit?
Konrad: Eindeutig beginnt die Kulturpolitik mit der Ersten Republik. Ab dann wird Kultur als öffentliche Aufgabe verstanden, und der Staat übernimmt – ganz oder teilweise – Verantwortung und Finanzierung.
Das zeigte sich an Bekenntnissen zur „Kulturnation“ Österreich sowie an der Fortführung der Hoftheater der Monarchie in der neuen Republik. Denn Österreich, so klein es nach dem Ersten Weltkrieg geworden war, verstand sich in der Kultur als Weltmacht.
Was sind Meilensteine der Kulturpolitik Österreichs seit 1945?
Konrad: Zunächst war es nach dem Zweiten Weltkrieg ähnlich wie nach dem Ersten. Bekenntnisse als „Kulturnation“, insbesondere als „Musikland“, und baldige Wiederaufnahme von Festspielen sowie Wiederaufbau großer Kulturbauten, um zu signalisieren: Österreich ist wieder ein Staat.
Allerdings waren diese ersten großen Investitionen auf die Theater konzentriert, vor allem Burgtheater und Staatsoper. Und da hat sich die Politik stark eingemischt, bis hin zur Stückauswahl für die Eröffnungspremiere. Heute noch ist die Besetzung der Direktorenposten ein Politikum, ich erinnere an den Konflikt von Kulturministerin Claudia Schmied und dem damaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer über die Nachbesetzung an der Staatsoper.
Ging der Staat mit den Bundesmuseen ähnlich um?
Konrad: Nein, die wurden zunächst notdürftig instand gesetzt. Die Museumspolitik wurde jahrzehntelang vernachlässigt. Erst 1987 und 1990 gab es die „Museumsmilliarden“, allerdings in Schilling. Auslöser war ein Wasserschaden im Kunsthistorischen Museum, ein Teil der ersten Milliarde wurde in die Elektrifizierung der Ausstellungsräume investiert.
Wie wurde der Kanzlerwechsel von Josef Klaus (ÖVP) zu Bruno Kreisky (SPÖ) spürbar?
Konrad: Bis 1970 ging es vor allem darum, Bestehendes zu erhalten und fortzuführen. Die Ära Kreisky brachte eine Aufbruchstimmung. Nur einzelne Beispiele: 1973 kam das Filmfördergesetz samt Filmbeirat. 1982 wurde die Kunstfreiheit in die Verfassung aufgenommen. Der Bundestheaterverband wurde reorganisiert. Jährlich wurden Subventionen und kulturpolitische Aktivitäten des Bundes in den Kunst- und Kulturberichten publiziert, die gibt es heute noch.
Allerdings: Nominell hat sich das Kulturbudget in der Ära Kreisky zwar vervielfacht, aber in Relation zu anderen Staatsausgaben ist es gleich geblieben.
Gibt es Unterschiede zwischen Kulturpolitik von SPÖ und ÖVP?
Konrad: Wenige, die lang anhalten. Erhard Busek sagte einmal, die ÖVP sei für „tote Kultur“ und die SPÖ für „lebende Kultur“ zuständig, also die einen für Erhaltung des kulturellen Erbes, die anderen für zeitgenössische Kunst. Doch in der Umsetzung ist das nicht eindeutig nachzuvollziehen.
Können Sie Beispiele nennen? Konrad: Immer war klar, dass Bundesmuseen und Bundestheater weitergeführt würden, egal, welche Regierungspartei dafür zuständig war.
Oder: Das Bemühen um Sponsoren ist nicht Ausdruck neoliberaler Politik, sondern Helmut Zilk hat sich schon in den 80er-Jahren dafür starkgemacht.
Oder die Ausgliederung der Bundesmuseen aus der Hoheitsverwaltung: Was in der Ära Wolfgang Schüssel (ÖVP) wirksam wurde, war unter SPÖ-Kanzler Viktor Klima beschlossen worden.
In der Museumspolitik gibt es auch einen Widerspruch: Im Parteiprogramm der SPÖ von 1998 steht: „Sozialdemokratische Kulturpolitik arbeitet für einen breitestmöglichen Zugang zur Vielfalt des künstlerischen Lebens, sie setzt sich für den Abbau von Barrieren ein, die sich z. B. durch Preisgestaltung (. . .) ergeben können.“ Tatsächlich aber haben sich die Eintrittspreise in Bundesmuseen in den letzten zwei Jahrzehnten ver-x-facht. Und SPÖ-Kulturministerin Claudia Schmied konnte nicht einmal einen Tag Gratiseintritt pro Monat durchsetzen. Übrig geblieben ist der Gratiseintritt für Jugendliche bis 19 Jahre.
Wie hält es Bundeskanzler Faymann mit der Kulturpolitik?
Konrad: Für eine Analyse seiner Amtszeit ist es zu früh. Doch fällt auf, dass Werner Faymann der erste Bundeskanzler der Zweiten Republik ist, der in seiner Regierungserklärung der Kulturpolitik keinen Satz gewidmet hat.
Warum ist Kultur eine politische bzw. staatliche Aufgabe?
Konrad: Sie ist nicht allein eine staatliche Aufgabe. Oft wird übersehen, wie viel zum Beispiel private Sammler, Vereine oder die Kirche in diesem Bereich machen.
Falsch ist zudem der Eindruck, Kulturpolitik sei auf den Bund konzentriert. Tatsächlich entfällt auf diesen nur ein Drittel der staatlichen Kulturausgaben, 27 Prozent finanzieren die Länder, elf Prozent bringt allein Wien auf, 29 Prozent tragen die anderen Gemeinden. Länder und Gemeinden sind kulturpolitisch also viel aktiver, als dies wahrgenommen wird.
Trifft der Begriff „Kulturnation“ heute noch zu? Konrad: Es gibt keine Partei, deren Abgeordnete im Nationalrat sich nicht immer wieder auf den Begriff „Kulturnation“ berufen. Doch zwischen diesem Selbstverständnis und dem politischen Alltag ist ein Unterschied.
Inwiefern?
Konrad: Man sieht es an Kulturausgaben des Bundes. Wenn man die Kulturausgaben aller Ministerin, also inklusive Wissenschafts-, Wirtschafts- und Außenministerium, um nur einige zu nennen, zusammenzählt, erreichen sie nicht einmal ein Prozent des Bundesbudgets. 1997 betrug der Anteil der Kulturausgaben am Bundesbudget 0,95 Prozent, 2006 waren es nur noch 0,7 Prozent. Buch: Heimo Konrad, Kulturpolitik, Eine interdisziplinäre Einführung, 195 Seiten, Facultas Verlag, Wien 2010.