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Steirische "Regionale 10": Bibelroboter im Stift Admont

06.06.2010 | 18:50 | KLAUS HÖFLER (Die Presse)

Der Bezirk Liezen steht bis Mitte August ganz im Zeichen der Kunst, mit zwei großen Ausstellungen und spektakulären Berg-Aktionen. Unter dem Motto "In der Mitte am Rand" will Liezen ins Zentrum der Wahrnehmung rücken.

Räume öffnen für spielerische Reflexionen“ nennt Dietmar Seiler eines der Ziele seiner Arbeit. Er ist künstlerischer Leiter der steirischen „regionale“, die bis 14. August läuft. Mit den Nachfolgefestivals der Landesausstellungen sollen seit 2008 in biennalen Sprüngen die Regionen des Landes – „diese Ruhe- und Unruheräume inmitten der globalen Unübersichtlichkeit“ (Seiler) – in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt werden.

Nach der Ost- ist nun die Obersteiermark dran. Der Regionsbegriff konzentriert sich heuer auf einen einzigen Bezirk, aber Liezen ist flächenmäßig größer als ganz Vorarlberg. Und ist zentraler. Denn die Region zwischen den Kleinstädten Trieben im Osten, Schladming im Westen, dem Ausseerland im Norden und den Niederen Tauern im Süden liegt geografisch mitten in Österreich. Doch Liezen blieb bisher die Nebenrolle als leiser, im Durchfahren als unbespielt wahrgenommener Transitraum. Das soll sich mit der „regionale“ (ein bisschen) ändern.

 

„In der Mitte am Rand“

Unter dem Motto „In der Mitte am Rand“ will Liezen ins Zentrum der Wahrnehmung rücken. 35 Projekte stehen dafür als Übersiedelungsvehikel zu Verfügung. Seiler verspricht eine zehnwöchige Abenteuerfahrt mit Haltepunkten, die im gesamten Bezirk verteilt sind. Nach der Eröffnung am Mittwoch, einem Projekt des französischen Universalkünstlers Michel Risse, der den alten Industrieort Trieben mit einer vielstimmigen und stimmigen interaktiven Raum- und Klanginstallation bespielte, warten noch knapp zweihundert Einzelveranstaltungen. Das pinke, an schnell hingemalte Kreidenstriche erinnernde „X“ als Werbesymbol der „regionale“ macht dabei auch vor sakralen Räumen nicht halt. Im Stift Admont findet eine der beiden Hauptausstellungen statt. Bei „Play Admont“ geht es um Interaktion mit und Reflexion über prominente Künstler wie Erwin Wurm, William Forsythe oder Werner Reiterer. Das Stift wird zum Spielplatz – auch für einen Industrieroboter der Gruppe robotlab, der in der weltbekannten Bibliothek unablässig eine historische handschriftliche Bibel abschreibt.

Im Schloss Trautenfels wiederum begibt sich eine von Adam Budak kuratierte Schau auf die Suche nach den dort titelgebenden „Welten des Eigensinns“. Sechs Künstler fragen und forschen nach dem schaffenden Menschen, wie sich sein Handeln, Arbeiten, Leben und seine Leidenschaften in der umgebenden Landschaft widerspiegeln. Zum Schmunzeln regt dabei Christian Philipp Müllers X-Large-Version eines „Wetterflecks“ aus dem regionstypischen Loden an. 20 Personen finden einem Tausendfüßler gleich in und unter der Stoffbahn Platz.

In der seit Samstag in Gröbming eröffneten Ausstellung „Baustelle Architektur“ nehmen sich die Medienkünstler Richard Kriesche und Karl Glawischnig der Arbeit Herbert Eichholzers an. Der stammt aus der Region und gilt als einer der maßgeblichen österreichischen Baukünstler des 20. Jahrhunderts. In Gröbming hat er mit der Druckerei Wallig ein Meisterwerk hinterlassen, das Ausgangspunkt einer Auseinandersetzung mit baulichen Juwelen und Desastern in der Region ist. Kriesche will sein Konzept auch als Korrespondenz zum österreichischen Beitrag („in construction“) bei der Architekturbiennale in Venedig verstanden wissen.

 

Hoch auf dem Dachstein

Als Baumeister der Naturlandschaft versucht sich ab 11. Juli der aus China stammende Architekt Ai Weiwei. Er verfrachtet einen vier Tonnen schweren Gesteinsbrocken, der bei einem Erdbeben in Sechuan 2008 von einer Felswand abgebrochen war, in ein neues, spektakuläres Ambiente – auf den höchsten Punkt der „regionale“, das Gipfelplateau des knapp 3000 Meter hohen Dachstein. In eine hochalpine Kulisse eingebettet ist auch das von Peter Oswald konzipierte „arcana“-Festival für Neue Musik. 90 Werke von 33 Komponisten, darunter zahlreiche Uraufführungen von Werken bekannter Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts, drängen sich in dem zwölftägigen Programm. Regional gewachsene und blühende Kulturpflanzen werden wiederum in einer Vielzahl eigener Format-Beete gegossen. Erlebt werden können sie auch bei einer Fußwanderung entlang der 400 Kilometer langen Außengrenze des Bezirks.


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