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Kunstberichte
Die Albertina widmet sich dem Star-Künstler Andy Warhol und seinem Blick auf schnittige Autos

Wer reitet so teuer durch.. . ?

Ein Hohelied auf die Pferdestärken: Ein Mercedes-Benz Rennwagen, Baujahr 1937 – knapp 50 Jahre später von Andy Warhol mit Siebdruck verewigt. Foto: Andy Warhol Foundation for the Visual Arts/VBK, Wien 2010

Ein Hohelied auf die Pferdestärken: Ein Mercedes-Benz Rennwagen, Baujahr 1937 – knapp 50 Jahre später von Andy Warhol mit Siebdruck verewigt. Foto: Andy Warhol Foundation for the Visual Arts/VBK, Wien 2010

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Es war Andy Warhols letzter Großauftrag: eine Serie von Siebdrucken zum 100. Geburtstags des Automobils. Beordert wurde sie 1986 vom Daimler-Konzern – doch durch den Tod des Künstlers im Folgejahr blieb die Erfolgsstory von 20 Modellen des Unternehmens unvollendet. 32 der 35 ausgeführten Werke sind Bestandteil der Daimler-Sammlung – und die ist nun Leihgeber für die "Cars"-Ausstellung der Albertina.

Für Warhol, den Zerstörer von Hochkultur durch Populäres, war das Sujet nicht neu: Er hatte schon in den 60er Jahren mit "Death and Desaster" sowie den "Car-Crash-Series" Ikonen nach Auto-Unfallkatastrophen geschaffen. Zuletzt konnte er wieder auf sein Designstudium reflektieren: Nach Motiven wie Schuhen, Blumen und Kühen in der Vergangenheit zeichneten Warhol und seine Mitarbeiter die Autos zuerst mit Grafit auf Papier. Der zweite Schritt ist der eines Gebrauchsgrafikers: Kopien per Sieb auf die Druckmaschine.

Bunt und großformatig

Für Sylvie Fleury und Kollegen, die in der Basteihalle nun ebenfalls mit Werken vertreten sind, gehört Warhol zwar zum auslaufenden Typus des Star-Künstlers. Aber seine gleichzeitige Hinwendung zum Anonymen, bedingt durch die Mitarbeit seiner "Factory", ist eine Schnittstelle zur nachfolgenden Künstlergeneration. Hier sind Wahlverwandtschaften zu entdecken: Neue Technik unter Vermeidung einer persönlichen Handschrift, farbenstarke, riesige Varianten einer Serie, Motive aus den Massenmedien – all das zeigt sich auch beim Zeichner Robert Longo oder beim Plastiker Vincent Szarek. Bei jüngeren Kollegen tauchen Themen wie Massenproduktion und Macht freilich nicht mehr in dieser gigantischen Machart auf.

Dem Pop-Meister war sein ambivalentes Spiel zwischen Mona Lisa und Coca-Cola-Flaschen 1968 fast zum Verhängnis geworden: Die radikale Feministin Valerie Solanas schoss in der bis dahin für Publikum geöffneten Factory auf ihn. Er überlebte schwer verletzt, zog sich zurück und widmete sich seinen großen Porträtserien, dann Leonardo und vor den Autos noch den "Dollar Signs".

Bei Fleury wiederum rufen Geld und Macht hexenhafte Wesen auf den Plan, mögen sie in ihren Videos auf den ersten Blick auch wie sexy Supermodels aussehen. Wer allerdings in Fleurys hochästhetischen Dreifachprojektionen auf das Abheben der Hexen in höhere Sphären hofft, wird enttäuscht. Es sind eher die Autos, die hier auf die Rampe gehoben werden – die Damen dürfen nur begleiten. Für alle, die eher auf Nutzfahrzeug als Luxusware setzen, kommt in der Albertina die Ironie zu kurz.

Aufzählung Ausstellung

Andy Warhol. Cars
Renate Wiehager, Klaus Albrecht Schröder (Kuratoren)
Basteihalle der Albertina
http://www.albertina.at
bis 16. Mai

Printausgabe vom Freitag, 22. Jänner 2010
Online seit: Donnerstag, 21. Jänner 2010 17:26:04


Kommentare zum Artikel:

22.01.2010 12:21:35 Wissen, worauf es ankommt
Vielen Dank für diese Rezension zur gestern gestarteten "Cars" Ausstellung. Endlich kann man in einem Artikel erkennen, worum es geht, was gezeigt wird und was sehenswert ist, anstatt sich in Floskeln zu Dir. Schröder und zur Albertina selbst zu verlieren.
Flora M.
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