Das Belvedere rekonstruiert mit "Gustav Klimt und die Kunstschau 1908" eine historische Ausstellung
Nibelungennot im Kunstfrühling
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Vor hundert Jahren wollte das Publikum von Klimt und Co nichts wissen.
Heute dürften sie ein Publikumsmagnet sein. Im Bild: Berthold Löfflers
Plakat "Kunstschau Wien 1908", 1908. Foto: Wien Museum
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Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
Vor hundert Jahren wurde diese Ausstellung schon einmal unter enormen
Aufwand realisiert. Seinerzeit war sie, zumindest in der Wahrnehmung
des zeitgenössischen Publikums, ein einziges Debakel.
Heute kann
die Rekonstruktion "Gustav Klimt und die Kunstschau von 1908" sicher
einen Besucherrekord einfahren. Wohl eine richtige Strategie des
Belvedere im Wettbewerb mit dem "Renner" Vincent van Gogh.
Es wurde kein Aufwand gescheut, um den Klimt-Raum detailgetreu
nachzubauen. Historische Fotografien, Experten, Kunsthändler und
private Leihgeber wurden zu Rate gezogen, um den Raum bis hin zum
Bodenbelag, den richtigen Tapeten und die Vitrinen nachzubauen. Sogar
die Wiedervereinigung einer Vitrine von Otto Prutscher mit ihrer
Jugendstilverkleidung ist gelungen.
Auch Franz Cizeks Kunstprojekt mit Kindern und Jugendlichen wird,
neben dem viel besungenen Kabarett "Fledermaus", die nötige
Aufmerksamkeit zuteil. Wo die originalen Bilder oder Plakate fehlen,
wurden sie durch Fotos im gleichen Maßstab ersetzt.
Das betrifft natürlich auch Klimt, dessen Bildnis "Adele" nicht mit
"Der Kuss" und "Die drei Lebensalter" vereint werden konnte. Dafür hat
man neben Richard Luksch und Michael Powolny den prominent vertretenen
Bildhauer Franz Metzner als Art Neuentdeckung hervorgehoben.
Seine düsteren Ritter entsprechen dem kriegerischen Aspekt der
Moderne, der, wie auch durch die Futuristen und Abstrakte wie Franz
Marc bekannt, in die Katastrophe von 1914 mündete.
Wir vergewissern uns nach hundert Jahren in einer Moderne angekommen
zu sein, die damals nicht verstanden wurde, wir werten Klimt, aber auch
Oskar Kokoschka und Egon Schiele zu Höchstaktien auf. Verstehen wir sie
in ihrer Zeit? Oder sind sie nicht eigentlich Ikonen unseres zu
ökonomischen wie populistischen Umgangs mit Kunst?
Werner Hofmann, der die Kombination von Kunstschau und
Kaiserjubiläumshuldigungsfestzug als radikalen Start von 1908 in die
Gegenwart beschreibt, würde statt Affirmation die Gegenstimme
einfordern. Diese muss anmerken, dass ein Teil des Jungendstils mit
ihren Rittern und Athleten im Klassizismus der Faschisten einmünden.
Auch ist neben fragwürdigen Inhalten zuzugeben, dass viele der
damals gezeigten Werke – auch die Frühwerke Adolf Hölzels und František
Kupkas – einfach schwächeln, aber dem Boom von Wien um 1900 einen
anhaltend breiten Markt eröffnen. Dem gegenüber sollten qualitätsvolle
Werke wie die Broncia Koller-Pinells eine sichtbare Aufwertung in der
heutigen Schau erfahren.
Der Kunstkritiker Ludwig Hevesi hatte seinerzeit prophetisch wie
resignierend zum Boykott des Publikums vor hundert Jahren angemerkt:
"...in zwanzig Jahren werden wir recht behalten haben." Nun, es hat
etwas länger gedauert, bis die teils revolutionäre Verquickung von
Kunst und Leben nach den Rückschlägen zweier Weltkriege die
Gesellschaft durchdrungen hat. Diese kritischen Fragen fehlen auch in
den wissenschaftlichen Texten der umfangreichen Publikation.
Bildende Kunst
Gustav Klimt und die
Kunstschau 1908 Alfred Weidinger (Kurator) Unteres Belvedere, bis 18. Jänner
Dienstag, 30. September 2008
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