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Kunstberichte

Wackle, Pudding, wackle!

Wackle, Pudding, wackle!

Aufzählung (cai) Hab ich’s doch gewusst: Der Andy Warhol lebt! Der ist untoter als Elvis! (Letale Gallenblasenkomplikationen? Das hat ihm ja eh keiner abgekauft.) Ein Beweisvideo zeigt ihn jetzt munter beim Chatten mit Oliver Laric. Er sieht sich selber zwar nicht mehr besonders ähnlich, aber gut: Mit 80 schau ich vielleicht auch aus wie Sepp Forcher.

Ach so, der Kerl ist bloß ein Medium. Dem hat der Andy anvertraut, dass die Kunstproduktion sowieso nicht mit dem Tod endet. Moment: Wo ist dann sein posthumes Werk? (Wär’ das nicht was für den Indiana Jones, Teil fünf? Der findet dann auf der dunklen Seite des Mondes eine Kunstsammlung, in der obendrein die im Bermudadreieck verschollenen Bawag-Millionen stecken.) Tja, die jungen Künstler, vor allem die aus Holland (auch wenn Laric ein Berliner ist), haben eben überhaupt keinen Genierer. (Nous Faes vom Rotterdamer Showroom MAMA hat ein paar im Kunstraum Niederösterreich versammelt). Und sie stehen total auf Zermürbungstaktiken.

Vor der verschmierten Glasscheibe gleich bei der Tür hab’ ich den Wisch-und-weg-Reflex unterdrücken müssen. Lippenstift? Ist da eine Horde Frauen mit extrem hohen Absätzen (oder ein Transvestitenrudel) dagegengerannt (boing! – aua!)? Nein. Die zwei "HuMobisten" haben ausgiebig ihre rot angemalten Gesichter am Glas, das zwischen ihnen war, gerieben. Eine Pantomime über geteilte Einsamkeit? Rafael Rozendaal hat sich den Namen seiner großen Liebe ("Internet") gar auf eine intime Körperstelle tätowiert: auf die Mundschleimhaut. Seine Spezialität: Hardcore-, äh: Hard bore -Filmchen im Netz. "Jellotime.com": Da wackelt ein – Pudding. Und Mingvasen? Sind doch was für Paläontologen! Die globalisierte Geschmacklosigkeit (oder Sebastiaan Straatsma) gebiert Manga -Vasen. Aufwändige Kitschdinger. Hm. Jede Banalität wirkt hier so selbstverständlich und "natürlich", dass ich geneigt bin, die Ausstellung doch zu mögen.

Beißen ist Gold

Aufzählung (cai)Also, autogenes Training ist das nicht, was der da macht: Sein Gebiss dockt herzhaft an seinen eigenen Hintern an. (Klar: Reden ist Silber, Beißen ist Gold.) Und weil der Kerl nicht so beweglich ist, hat er sich vorher den Kopf abgerissen. Ob das dieser "beißende Humor" ist? Oder die Selbstironie, der autoaggressive Frohsinn? Urban Grünfelders fast anstößig realistische Keramikmänner, die glänzen wie Autos, verkörpern den bizarren Brachialwitz bis zur perversen Taktlosigkeit. Der "Krückenfresser": Ein Totalamputierter nimmt seine Gehhilfen in Schwertschluckermanier zu sich. Ja, diese Nackerten sind nicht ganz "stubenrein", aber eindringlich sind sie (der Mann – das tragikomische Geschlecht). Sogar wenn sie in den Bildern auf flache bewegte Schatten reduziert sind. (Okay, der Tarnschecken-Christus hätt’ nicht unbedingt sein müssen . . .)

Gnade für Goya!

Aufzählung (cai)"Museum der Schatten" – der Titel passt wie die Tomate aufs Aug’. Andere sammeln Briefmarken, Rainer Wölzl Schatten. In seinen imposanten, atmosphärisch und psychologisch dichten Kohlezeichnungen archiviert er die klassischen Beleuchtungssituationen, in die Türen, Bäume, Tücher involviert sind. Und schon wieder zitiert einer Goya. (Lasst den Mann doch endlich einmal in Ruh’!) Konventionell? Ein bissi. Aber verdammt gut ausschaun tut’s. Und die Bronze "Das Stück" (ein "Mammaphallus", ein "Stück" mit Säugeorganen statt Hoden) hat mich erheitert. Ein schmutziger Witz mit gleich zwei Pointen (Brüsten).

Kunstraum NOE (Herrengasse 13) Love Design Delirium Bis 26. Juli Di. bis Fr. 11 bis 19 Uhr Sa. 11 bis 15 Uhr

Galerie Peithner-Lichtenfels (Sonnenfelsgasse 6) Urban Grünfelder Bis 31. Juli Di. bis Fr. 10 bis 18 Uhr Sa. 10 bis 16 Uhr

Galerie Ernst Hilger (Dorotheergasse 5) Rainer Wölzl Bis 1. August Di. bis Fr. 10 bis 18 Uhr Sa. 10 bis 16 Uhr

Dienstag, 08. Juli 2008

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