...oder wie eine Idee Erfolg hatte

Eine Schweizer Künstlerin betreibt seit drei Jahren in einem ehemaligen Hutgeschäft in der Lerchenfelderstraße eine ungewöhnliche Galerie. Susanne Rohringer spricht mit Silvia Grossmann über die Wiener Kunstszene und ihre Liebe zu Japan.


Eigentlich ist Silvia Grossmann Bildhauerin. Weil sie jedoch nicht nur künstlerisch tätig sein will, hat sie kurzerhand eine eigene Galerie, Atrium ed Arte, gegründet. Der Skulptur bleibt sie dennoch treu - auf ihre Weise.

Wie kamen Sie auf die Idee, in Wien eine Galerie zu betreiben? Zürich ist vom finanziellen Standpunkt sicher der lukrativere Ort für eine Galerie.

Silvia Grossmann: Das ergab sich sehr organisch. Dafür sind zum Teil biografische Gründe verantwortlich. Ich kam ja 1985 nach Wien, um bei Franz Xaver Ölzant auf der Akademie der Bildenden Künste Bildhauerei zu studieren. Nach dem Diplom pendelte ich eine Weile zwischen Basel und Wien und versuchte mich als Bildhauerin durchzusetzen. Schließlich musste ich eine Entscheidung fällen, wo ich sesshaft werden sollte. Ich entschied mich für Wien, denn hier gibt es eine größere Offenheit für künstlerische Dinge. Wien hat eine freigeistigere Atmosphäre; es gibt eine gewisse Narrenfreiheit und mehr Anonymität, die für das Entwickeln von künstlerischen Ideen notwendig ist. Dafür dauert es hier länger, bis neue Projekte wahr- und angenommen werden. Natürlich ist es in Zürich leichter, Geld zu machen.

Zur Gründung einer Galerie kam ich wie die Jungfrau zum Kind. Eine chinesische Freundin hatte 1996 diese Idee. Mit einer weiteren Bekannten, einer Sinologin, wollten wir gemeinsam einen Anfang wagen. Im August 1996 stellt sich heraus, dass ich allein die Galerie führen sollte. Und ich nahm nach einigem Zögern diese Herausforderung an. Ich denke, es entsprach auch einem lang gehegten Wunsch. Denn ich suchte den intellektuellen Austausch und den vermehrten Kontakt mit Künstlern. Nur, allein in meinem Atelier vor mich hin zu arbeiten, ist nicht mein Naturell.

Die Galerie heißt Atrium ed Arte. Ein ungewöhnlicher Name. Welches Programm steckt dahinter?

Silvia Grossmann: Der Ausstellungsraum, die Galerie soll ein Atrium sein. Ein luftiger Vorhof, in dem die Künstler ihre Werke vorstellen und wo man sich zu Gesprächen trifft. Dem Publikum kommt in dieser Fantasie eine zentrale Bedeutung zu, denn es betritt genauso die Bühne und ist somit Teil dieses kleinen Welttheaters. Wir laden auch immer wieder Schriftsteller ein, die hier lesen. Bodo Hell, Ferdinand Schmatz, Käthe Recheis und Julian Schutting waren hier. Michael Donhauser liest zu den Tonobjekten von Canan Dagdelen.

Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Künstler aus? Wer wird von ihnen vertreten?

Silvia Grossmann: Wahrscheinlich ist die ehrlichste Antwort auf diese Frage, dass man die Kunst ausstellt, in der man sich wieder erkennt. Aber natürlich gibt es inhaltliche Prioritäten. Da ist zum einen der weitgesteckte Begriff der Bildhauerei. Damit meine ich nicht die klassische Bildhauerei, die ja kaum mehr auszustellen ist; eher Künstler, die skulptural denken oder ihre Wurzeln in der Bildhauerei haben.

In diesem Zusammenhang sind Hans Fladerer, Kurt Straznicky und Oswald Stimm zu nennen. Vinzenz Mahrer verbindet Skulpturen mit Malerei. Aber auch die Objekte von Canan Dagdelen haben skulpturale Qualitäten. Canans künstlerischer Prozess hat viel mit Herauskratzen und Hinzufügen von Materialien zu tun. Dieses schichtweise Arbeiten ist auch bei den Holzschnitten von René Fehr-Biscioni und den wächsernen Bildtafeln Fritz Ruprechters zu sehen. Es ist ein künstlerischer Modus, der den meisten hier ausgestellten Künstlern geläufig ist.

Ein fixer Bestandteil Ihres Programmes ist die Kalligrafie. Sie vertreten zahlreiche asiatische Künstler und führen im Logo ihrer Galerie ein chinesisches Schriftzeichen. Woher kommt diese Affinität zur fernöstlichen Kunst?

Silvia Grossmann: Dies hat sich aus verschiedenen Aspekten entwickelt. Zum einen liegt das in der Geschichte dieser Galerie. QingQing Chen wollte anfänglich chinesische Volkskunst in der Galerie zeigen. Als ich schließlich allein weiterarbeitete, kam dies für mich nicht in Frage. Heute kann man wohl eher von einer Affinität zur japanischen Kunst sprechen. Ich hatte als Studentin sehr große Lust, mich in Japan länger aufzuhalten. Meiner eigenen Kunst, die Papier sehr zeitintensiv und ungewöhnlich verarbeitet, wird immer eine Nähe zu Japan nachgesagt. Ob man da direkte Parallelen zu den Innen- und Außenwänden japanischer Häuser ziehen kann, weiß ich nicht. Aber ich kann sagen, dass mir die japanische Kunst der Kalligrafie, des Holzschnitts und die präzise Kunstfertigkeit bei der Herstellung von kleinen Dingen des Alltags angenehm ist. Ich habe ziemlich großen Respekt vor dieser Jahrhunderte alten Kultur.

Silvia M. Grossmann: Eine alltägliche Verwirrung (nach der Erzählung Franz Kafkas aus dem Nachlass), 1999
Silvia M. Grossmann: Eine alltägliche Verwirrung (nach der Erzählung Franz Kafkas aus dem Nachlass), 1999

Was sind Ihre nächsten Projekte?

Silvia Grossmann: Zunächst werden wir hier weiterhin ein gutes Programm machen. Im April zeigt die Galerie kalligrafische Arbeiten von Kazuaki Tanahashi und Sana Samamoto. Meine Papierarbeiten werden 2001 gemeinsam mit Ona B., Canan Dagdelen, Fritz Ruprechter, Hiromi Miyamoto in der Galerie Crillion in Tokyo gezeigt. Und jetzt, Anfang März, muss ich nach Besancon fliegen, um dort an einer Ausstellung teilzunehmen. Die Arbeit nimmt somit kein Ende.

Links:

Galerie Atrium ed Arte
Österreichische Galerien

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