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07.06.2003 - Ausstellung
Raus aus dem Keller!
Kunst in Kisten verräumen. Ein unwürdiger Zustand. In Basel zeigt das frisch eröffnete "Schaulager" eine genial einfache Alternative.
VON ALMUTH SPIEGLER


M
it über zehn Metern dominiert Wang Dus kindisch-groteske Kriegs-Plastik die aktuelle Aus stellung in der Wiener Kunsthalle. Nur, was passiert, wenn die Ausstellung abgebaut, die Kunst wieder eingepackt wird? Das Trum landet in Kisten, verschwindet, ist nicht mehr greifbar - unsicher, ob es je wieder an die Öffentlichkeit gezerrt wird. Was aber machen mit Grenzen sprengenden Bildern, Installationen, Skulpturen? Nach Besichtigung wegschmeißen? Da bebt die Kunstwelt. Also lieber sicherheitshalber bunkern. Irgendwo, meist im Keller.

Irgendwo war der einflussreichen privaten Basler Emanuel-Hoffmann-Stiftung für ihre 650 Werke zählende Sammlung zeitgenössischer Kunst aber nicht genug. Das "Schaulager" wurde entwickelt, der Prototyp eines genial einfachen Konzepts, das sich zwischen Museum und Lagerhaus nicht entscheiden muss und die weltweite Kunst-Verdauung revolutionieren könnte. Im Mai wurde der eindrucksvolle Bau der Star-Architekten Herzog & de Meuron am Rande der Stadt, im Industrieareal Dreispitz, eröffnet. Wie direkt aus dem Boden erwachsen richtet sich der archaische Kubus 30 Meter hoch auf, seine groben Wände sind mit dem Kies und Lehm betoniert, der beim Aushub anfiel. Nur zwei rissartige Lichtschlitze lassen Licht ins Innere. Vier Monate im Jahr wird das "Schaulager" öffentlich zugänglich sein, allerdings nur 3.000 von 15.000 Quadratmetern, auf denen im Erdgeschoß Sonderausstellungen stattfinden. Begonnen wurde mit einer schon lang überfälligen Dieter-Roth-Personale.

Doch der Hauptzweck ist ein wissenschaftlicher. Das 9.000-Quadratmeter-Lager ist nur für Fachleute zugänglich. Durch drei Stockwerke ziehen sich lange, steril weiße Gänge, links und rechts verschlossene Kojen. Es atmet ein wenig Leichenschauhaus. Aber immerhin gibt es etwas zum Schauen: Keine Kunst in Kisten, sondern aufgebaut und gehängt. Ein Depot, das Kunst nicht verstümmelt, sondern atmen lässt - wenn auch auf begrenztem Raum. Manche Installationen wie der monumentale, bedrohliche "Rattenkönig" von Katharina Fritsch bekamen ihr eigenes Refugium. Und auch ein wenig Mythos wird gepflegt: Neugierig durch Kojen streifen ist verboten, der ausgehändigte Schlüssel öffnet immer nur die Pforte für das eine gewünschte Kunstwerk. Ein wenig Event in einer luxuriösen Institution, die sich der Quote gelangweilt verweigern darf. Das traditionelle bürgerliche Engagement in Basel macht es möglich. In Wien bleibt die Kunst im Keller.



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