Ohne Kopf kein Mut zum Hut
Von Claudia Aigner
Im Kaufrausch ein Einkaufswagerl zu steuern, dafür gibt es
halt keine gesetzliche Promille-Obergrenze (wäre ja geschäftsschädigend).
Und wenn's ums Konsumieren geht, dann kann's einem immer passieren, dass
man auf die Puppe mit dem größten Verschleiß an Konsumgütern trifft:
Barbie, der man ja den kompletten Lebensstil aus "Reich & schön"
zusammenkaufen kann. Bei Karen Holländer (bis 30. Juni in der Galerie
Atrium ed Arte, Lerchenfelder Straße 31) ist die Barbie-Puppe freilich
nackt (und folglich ungefähr so erotisch wie ein Durchlauferhitzer), und
obendrein ist sie anatomisch so defizitär wie die Medusa, nachdem Perseus
sie unangemeldet besucht hat. Aber einen Kopf braucht Barbie ja eh nur,
wenn man ihr einen Hut kaufen möchte. Holländer hat nun ein Gespür fürs
Dekorative und versteht es meisterhaft, allerlei Massenware ornamental
übers Bild zu verteilen. (Die Barbies turnen da herum wie Arabesken.)
Diszipliniert wie die betörend dekorativen, kühlen Kompositionen ist auch
die Palette: Grauwerte, Rot und das, was der Mitteleuropäer im Winter für
sich als "Hautfarbe" beansprucht. Koloristische Gustostückerln. Im
Land, das vermutlich mehr Tulpen als Holländer hat: Das Selbstporträt der
Künstlerin teilt uns inmitten der vielen holländischen Tulpen vielleicht
bloß mit: Auch der Mensch ist nur ein Massenartikel - mit einer Auflage
von sechs Milliarden Stück. Der Orientierungssinn ist indirekt
proportional zur Finsternis. Deshalb schaffen es auch nur Naturtalente,
Dirk Skrebers "Schwarze Schleuse" in weniger als zwei Minuten und mit
weniger als drei kleinen Panikattacken zu passieren. (Auszutesten bis 21.
Juni bei Kerstin Engholm, Schleifmühlgasse 3.) Der Holzgang, der zweimal
einen Knick macht, ist psychologisch sogar imposanter als Bruce Naumans
nur 50 cm breiter Korridor. Skreber hat Naumans
körperfettdiskriminierendes Opus quasi radikalisiert, nämlich auch noch
das Licht abgedreht. Eine Tür geht auf, man tritt ein, die Tür geht
zu, und während die Schleuse fast so traumatisch eng für einen ist wie
eine Butterkeksschachtel fürs Butterkeks, kämpft man - sozusagen als
alleingelassenes Butterkeks - tappend und tastend gegen die
Desorientierung an. Bis sich am Ende wieder eine Tür auftut.
Klaustrophobie für Fortgeschrittene eben. (Für Anfänger hätte ja schon ein
Spind mit Zeitschloss gereicht.) Dahinter kommen aber die wirklich
abenteuerlichen Kreationen, für die man schon Verpflegung und
Belastbarkeit für ein ganzes Wochenende mitnehmen muss. Architektur
gewordener Psychoterror. Freilich im "ungefährlichen" Modellformat.
Skreber gelingt es hier, die psychosomatische Vorstellungskraft zu
aktivieren (zumindest wenn man gerade erst seine Schleuse überstanden
hat). Auf dem Trockenen Bojen mit sich herumzuschleppen, ist in etwa
so surreal wie: auf der Titanic einen Fallschirm anzulegen. Gottfried
Eckers kleine Holzmänner (bis 29. Juni in der Galerie Chobot, Domgasse 6)
haben eine bestechende Körpersprache. Und oft einen beneidenswerten
Gleichgewichtssinn. Ihre Epidermis ist lebendig durchgeknetet (nämlich aus
Kitt) und ihre "Patina" sinnlich: wie vom ersten Menschen (lehmig) oder
wie von James Dean in "Giganten", nachdem er Öl gefunden hat. Souverän
gemacht.
Erschienen am: 15.06.2001 |
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