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Kunstberichte
"Inés Lombardi. Past Present – Close and Distant" im Hauptraum der Wiener Secession

Augenblicke in Zeitenräumen

Konstruierte Paradiese: Inés Lombardi (im Bild: "Ohne 
Titel", 2011) blickt auf die komplexe Beziehung von Kunst und 
Natur. Foto: Secession

Konstruierte Paradiese: Inés Lombardi (im Bild: "Ohne Titel", 2011) blickt auf die komplexe Beziehung von Kunst und Natur. Foto: Secession

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Den Hauptraum der Secession in Wien mit seiner sakralen Note in einen Garten zu verwandeln, ist als architektonisches Konzept geometrischer Felder noch niemandem so in den Sinn gekommen wie Inés Lombardi. Deshalb ist die Installation mit Blick auf zwei brasilianische Landschaftsgärten auch eine Entdeckung des Fremden im Bekannten. Sie gäbe damit viel von sich und ihrer Erinnerung an die Kindheit preis, meint dazu die Brasilianerin, die zum Studium bei Maria Lassnig nach Wien kam und bis heute blieb.

Schon früh hat Lombardi Fotografie und Skulptur verknüpft, sie arbeitet zusätzlich mit Video und Räumen. Eine Festlegung ihrer subtilen Konzepte auf nur eine Linie lehnt sie zugunsten vielschichtiger Denkstrukturen ab. Nun sind auch Farben und das Malerische von Fotografie sowie die Landschaftsarchitektur Teil ihrer konsequenten Untersuchungen zur Wahrnehmung.

Der Garten dient als Konstruktion des Paradieses

Gärten sind seit Entdeckung städtischer Randzonen und der Akzeptanz des Unkrauts nicht mehr länger nur unsere Idealbilder, dennoch bleiben sie konstruierte Paradiese. Von einer vielschichtigen Synthese des Außen- und Innenraums spricht Lombardi mit sehr persönlichem Blick auf die brasilianischen Architekten Roberto Burle Marx und Rino Levi. Beide stehen als Zeitgenossen von Richard Neutra oder Oscar Niemeyer in der Tradition der internationalen Moderne, die von Europa ausgehende ästhetische Ansprüche weltweit verbreitete.

Zwei der Landschaftsgärten nahe von São Paulo wählt die Künstlerin als Beispiele für ihr Konzept aus, das nicht nur die vom Menschen gesuchte Harmonie Architektur-Natur beleuchtet, sondern auch Exotik als besonderes Konstrukt entlarvt.

Tropische Natur erweist sich als von Marx zwischen Teiche und Terrassenanlagen gepflanztes künstliches "Gartenstück", also Kunst. Die baumlos karge Landschaft, die eine ehemalige Kaffeeplantage umgibt, zeigt einen völlig anderen Charakter ohne tropische Merkmale.

Lombardi lässt im offenen Zentrum die dezenten Farben, die Marx mit einer Malergruppe um Francisco Rebolo Gonsales für die Residenzräume auswählte, an Zwischenwänden auf den Betrachter wirken. Die gedämpfte Glut in Violett, Weinrot und Olivgrün korrespondiert mit der gezähmten Exotik der Pflanzenwelt, das Glasmosaik in Blautönen und die Quadratur der Glasbausteine vereint Innen- und Außenarchitektur. Die Künstlerin erweitert die Secession so zum Labor für Form- und Farbanalyse.

Wissensarchiv mit vielen Fragezeichen

Auch die musealen Forschersammlungen getrockneter Pflanzensamen und Käfer oder die romantischen Aquarelle jener scheinbaren Wildnis von Thomas Ender in Buchform werden in Vitrinen einbezogen. Das gibt uns den Rückblick auf das 19. Jahrhundert als gefülltes Wissensarchiv mit vielen Fragezeichen.

Deshalb bleiben zwei Vitrinen im zentralen Farbraum leer: Zeit, um über Geschichte als Projektion und hierarchisches Konstrukt nachzudenken. Im postkolonialen Zeitalter wollte man das Refugium Garten nicht nur als Ort eines menschlichen Grundbedürfnisses sehen, sich in Einklang mit dem Universum eine Ordnung zu schaffen. Was aber bleibt, ist in Wien eine Erinnerung an Marx als Planer der internationalen Gartenschau Wig um den Donauturm 1964 und seine Möglichkeit, von Schönheit als Farbzauber zu sprechen. Und diesen empfinden wir durch Lombardi neu.

Aufzählung Ausstellung

Inés Lombardi. Past Present – Close and Distant
Secession
Bis 15. Mai

 

Printausgabe vom Mittwoch, 02. März 2011
Online seit: Dienstag, 01. März 2011 19:09:00

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