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Was bedeutet die Wand für das Bild?

16.09.2010 | 18:33 | SABINE B. VOGEL (Die Presse)

Nadim Vardags analytische Annäherung ans Thema Ausstellung im Augarten Contemporary. Ihn interessiere ein „abstrahierendes Spiel mit den Grundelementen des Kinos“, erklärt Vardag.

Nahezu leer scheinen die Räume zu sein. Hier ein Gestell, über das eine weiße Plane gespannt ist, dort eine Trennwand, gegenüber ein Gerüst mit senkrechten Neonröhren, die eine weiße Wand ausleuchten. An der Seite sind die Rollos eines Fensters aus der Verankerung genommen und hängen im Raum. Zehn Werke zeigt Nadim Vardag im Augarten Contemporary, und doch sehen wir nur leere Präsentations- und Projektionsflächen.

 

Die Diaprojektion zeigt nur Licht

Ihn interessiere ein „abstrahierendes Spiel mit den Grundelementen des Kinos“, erklärt Vardag: nicht das Kino als Wunschmaschine und Illusionsfabrik, sondern die Konstruktionsprinzipien von Bildern. Darum wirft der Diaprojektor nur Licht auf die Wand, und der Monitor zeigt nur Flimmern – reine Reize ohne dazugehörige Bilder. Und im nächsten Schritt lenkt Vardag unsere Aufmerksamkeit auf die Grundelemente einer Ausstellung. Darum lässt er auf den Wänden Bleistiftmarkierungen und abgerissene Papiere der vorangegangenen Ausstellung stehen. Dies seien „markierte Bildflächen“, erklärt der 1980 in Regensburg geborene Künstler, der zuletzt in Wien studiert hat.

Nun kann man über die „ästhetischen Implikationen“ spekulieren, die „der Ausstellungsarchitektur eingeschrieben sind“, wie es im Pressetext heißt – also die Begrenzungslinien der Flächen und Farbnuancen der verschiedenen Weißtöne nicht funktional, sondern formal wie Zeichnungen und Malerei anschauen. Dafür benötigt es allerdings keine gesonderte Präsentation. Oder man kann darüber nachdenken, wie Bilder entstehen, welche Bedeutung Licht, Wand etc. für Bildproduktionen – im Allgemeinen – zukommen und in welchem Verhältnis die Bildflächen zueinander stehen. Solche Überlegungen sind aber erstens seit der Institutionskritik der 1980er-Jahre bekannt. Und zweitens stellt sich die Frage, ob sich Kunst als Analyse-Instrument auf solch einer Meta-Ebene überhaupt (noch) eignet. Denn was wir sehen, ist der Prozess des Befragens selbst – und zwar mit jedem erneuten Blick immer wieder und wieder das nahezu Identische. Antworten erhalten wir nicht. Von einer Analyse aber erwartet man eine Erkenntnis, die weiterführt statt zurück zum Ausgangspunkt.

Darin liegt ein Problem der analytisch orientierten Konzeptkunst, die allzu leicht im Lehrmeisterlichen stecken bleibt. Aber in einer Ecke hinter der Trennwand durchbricht Vardag dann doch die Strenge seiner auch inhaltlich allzu schwarz-weißen Abhandlung. Ineinander geknubbelte Stoffe liegen dort. Ein „Spiel mit Wertigkeit“ sei es, sagt Vardag. Was zunächst achtlos erscheint, sind Handtücher der Edelmarke Missoni, die in ihren Mustern und Farben die formalen Leitthemen perfekt aufgreifen, vor allem aber eine Spur Humor hinzufügen.
Augarten Contemporary, Wien 2, Scherzergasse 1a, Do bis So 11–19 Uhr; bis 28.11.


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