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Kunstberichte

Das Wiener Dommuseum zeigt "Das Religiöse im Werk Alfred Hrdlicka"

Dorniger Stachel im Fleisch

Der Künstler als Erlöser: Alfred Hrdlickas „Hommage à Pasolini“ im Dommuseum.  Foto: Bettina Secker

Der Künstler als Erlöser: Alfred Hrdlickas „Hommage à Pasolini“ im Dommuseum. Foto: Bettina Secker

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Kaum sind die Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag vorbei, zieht er in das Wiener Dommuseum ein: "Religion, Fleisch und Macht. Das Religiöse im Werk von Alfred Hrdlicka" widmet sich vor allem der Passion des Künstlers.

Als Leidenden an Publikum und Politik hat sich der streitbare "Uraltstalinist" (Hrdlicka über Hrdlicka) oft in seinem Leben gesehen und gezeichnet. Seine Denkmäler gegen den Faschismus waren in Wien und Hamburg umstritten, seine Professuren in Berlin, Hamburg, Stuttgart und zuletzt in Wien galten als letzte Bastionen der Steinbildhauerei.

Doch auch als Autor von Polemiken gegen Politik und so manchen Chefredakteur ist Hrdlicka fast schon Legende – seine Schriften sind längst in Büchern festgehalten. Er liebt die männliche Kraftmeierei, auch wenn sie ihm durch das Alter entgleitet: Dementsprechend subjektiv ist auch seine Sicht der biblischen Geschichte. Im Dommuseum zeigt er seine Leitgestalten Pier Paolo Pasolini, Samson, den spanischen Barockmaler Francisco de Zurbaran und natürlich – zu Ostern passend – seine Interpretation von Christus während der Passion. Bronzeabgüsse seiner Skulpturen des Gekreuzigten oder die "Hommage à Pasolini" – eine dornengekrönte Halbfigur aus dem Jahr 1985 – nach dem Marmororiginal von 1983 kommen aus seiner Stammgalerie, einige Grafiken kaufte schon Domprediger Otto Mauer; Werke eines Sammlers und aus dem Besitz des Künstlers runden die Schau ab.

Der "Bibelmarxist"

1950 studierte Hrdlicka Malerei bei Josef Dobrowsky und Albert Paris Gütersloh – sein Ölbild "Kindermord von Bethlehem" aus diesem Jahr verweist auf die neue Sachlichkeit vor dem Krieg. 1960 trat er mit den Realisten auf und entfachte den ersten Skandal in einer von der Ab straktion beherrschten Kunstwelt.

Da war er längst Student bei Fritz Wotruba und hatte sich als Grafiker mit seinen Radierungen einen Namen gemacht. Von Anfang an war die "Ästhetik des Hässlichen" in der krassen Vorführung der Fleischeslust für ihn gleich wichtig wie das Engagement im Sozialen, und dies verbindet ihn mit seinen Heroen aus dem 19. Jahrhundert, wie etwa Hans von Marees und Théodore Géricault.

Trotz seines Engagements für die Kommunisten war der Sozialistische Realismus im Osten für den Expressiven unwichtig. Früh ein Postmoderner, blieb er wie Picasso ein Feind der Gegenstandslosigkeit und nennt diese bis heute "Astralzinnober". Von Kunsttheoretikern geprägte Strömungen entfachen seinen Widerstand: Eine Teilnahme an der Documenta 6 verweigerte er, und in Wien gründete er 1972 eine Gegensecession mit gleich gesinnten Realisten.

Die große Radierung "Leonardos Abendmahl restauriert von Pier Paolo Pasolini" aus dem Jahr 1984 im Eingangsraum zeigt den "urchristlichen Atheisten" oder "Bibelmarxisten", wie ihn Direktor Bernhard Böhler passend bezeichnet, in seinem Element. Die Jünger begatten einander und tanzen auf dem Tisch, ein Mord kündigt das Kommende an. Die Kirche, in Hrdlickas Sinn Verwalterin des Fleisches, ist auf seinen Papierarbeiten aber auch in Glaubenskriege und die Französische Revolution verstrickt: Januskopf Hrdlicka macht’s möglich.

Fleisch und Macht
Das Religiöse im Werk von Alfred Hrdlicka
Dommuseum, bis 10. Mai

Mittwoch, 12. März 2008

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