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Linz
Location im O.K–Centrum für Gegenwartskunst
von Beate Engel

Nach Südafrika (1999) und Litauen (2000) ist in diesem Jahr Polen das Partnerland im ‹Dialog›-Projekt des O.K-Centrums. Unter dem Motto ‹Re: Location› des polnischen Gastkurators Adam Budak reagieren zwei polnische und drei österreichische Künstler auf den Ausstellungsort und kratzen gleichzeitig an den nationalen Klischees ihrer Herkunftsländer

‹Towards the better› prangt in grossen Lettern als weit sichtbarer Willkommensgruss an der Flanke der Eingangsrampe des O.K.–Centrums für Gegenwartskunst. Unter besten Bedingungen haben die Polen Dominik Lejman und Pawel Althamer und die Österreicher Thomas Latzel-Ochoa, Karl-Heinz Klopf und Andi Strauss an dem gemeinsamen Ausstellungskonzept Re:Location gearbeitet, dem mehrwöchige Gastaufenthalte im jeweiligen Partnerland vorausgingen. Dem Kurator Adam Budak ging es darum, eine Ausstellungslandschaft zu kreieren, die aus ständigen Ortsverschiebungen und Standpunktwechseln besteht, aus Oberflächen und Oberflächlichkeiten, die sich aneinander reiben: ‹An der Oberfläche wird Bedeutung kreiert, hier passieren die wichtigsten Dinge, nichts bleibt verborgen, aber nicht alles ist sichtbar.›

Dominik Lejman, der unter anderem am Londoner Royal College of Art studiert hat, spielt schon seit Jahren mit im internationalen Kunstbetrieb und beobachtet die inhärenten sozialen Mechanismen mit kritischer Ironie. Er empfängt die Ausstellungsbesucherinnen im Eingangsberich des O.K mit einem Überwachungsvideo, das zeigt, wie sie vor kurzem die Eingangsrampe des Kunsthauses beschritten haben, doch unter die realgetreuen Aufnahmen mischen sich nackte Fussgänger. So verwandelt sich der Slogan ‹towards the better› zum vieldeutigen Orakelspruch, und der Eingang des Kunstzentrums wird zum ‹catwalk› der Eitelkeiten oder zur rituellen Passage. In einer weiteren Arbeit widmet sich Lejman dem österreichischem Nationalsport. Sein auf die Wand projizierter Negativfilm zeigt winterliches Freizeitvergnügen. Weisse Phantomgestalten rutschen auf ihren Skiern durch ein Nowhereland, im Gruppenverband, aber doch allein, wie ein ferngesteuertes Fliegenballet. ‹Bei dieser Arbeit hat mich die Frage geleitet, was wäre, wenn ein Anthropologe von einem anderen Stern dieses absurde Treiben sehen würde?›, kommentiert Lejman den Film.
Der Österreicher Thomas Latzel-Ochoa treibt die ‹Fit for Art›-Strategie auf die Spitze. Er hat ein komplettes Basketballfeld ins Kulturzentrum transferiert, das sich so harmonisch in den Hinterhof-artigen Annexbau der ehemaligen Schule einfügt, als wäre es schon immer dort gewesen. Zum Blockbuster-Sound können die Besucher hier ihr sportliches Talent erproben. Auf einem Video stellen die Künstler, der Kurator und der O.K.-Direktor keuchend ihre sportliche Teamarbeit zur Schau.

Der Österreicher Karl-Heinz Klopf hat ein Herzstück der ehemaligen polnischen Hauptstadt Krakau per Video nach Linz transportiert. Umzugskartons dienen als Sockel für Monitore, auf denen drei junge Bewohnerinnen Krakaus von ihrer Beziehung zum königlichen Schloss Wawel erzählen. Eine schwarzhaarige Polin berichtet, wie sie als kleines Mädchen davon geträumt habe, als Prinzessin im Schloss zu wohnen. Eine Japanerin beschreibt auf polnisch, dass das Nationalsymbol für sie inzwischen ein Stück ‹zuhause› sei. Zusätzlich wird auf einer grossen Leinwand eine Ansicht auf das mächtige Schloss gezeigt, die aus dem Fenster des hochmodernen gläsernen Center for Japanese Science and Technology gefilmt wurde. Vor der Aufnahme des breiten Weichsel-Flusses und des dahinter liegenden Schlosses flimmern Manga-Animationen, die aus der japanischen Comics-Ausstellung stammen. Gerade tobt ein kämpfender Drache über das Wasser. Gleichzeitig ertönt die Geschichte der dritten Interviewpartnerin, einer blonden Polin, die auf deutsch mit amerikanischem Akzent die Geschichte vom Drachen erzählt, der die Prinzessin im Wawel-Schloss einst gefangen haben soll… Ein Paradebeispiel dafür, dass sich nationale Mythen und Identitäten nicht erst seit dem Zeitalter des Globalismus vermischen.

Andi Strauss hat sich während seines Aufenthalts in Polen mehr auf die Parallelen als auf die nationalen Unterschiede konzentriert. Sein mobiles Pop-Up-Schlafzimmer ‹onthemove› mit dazugehörigem Flachbildschirm-Fake, das einem Ikea-Modell nachempfunden ist, könnte seiner Meinung nach auch dem Traum eines polnischen Jugendlichen entsprechen. Tatsächlich lässt Ikea einen Grossteil seiner Produkte kostengünstig in Polen produzieren, doch im Raum nebenan, dem ‹Polski-Club›, herrscht immer noch ein anderer Einrichtungsstil vor. Hier haben sich polnische ImmigrantInnen eingenistet, auf Einladung von Pawel Althamer, der seit einigen Jahren mit provozierenden sozialen Interventionen und Arbeiten im öffentlichen Raum auf sich aufmerksam macht. Das Centrum für Gegenwartskunst wurde flugs ins ‹Centrum Sztuki Wspolczesnej› umgewandelt, die Website des Clubs gibt Auskunft über das Veranstaltungsprogramm: Eine Präsentation von gewobenen Wandteppichen, polnische Livemusik, sportliche Wettkämpfe und ein Malwettbewerb für Kinder werden während der Ausstellung in einem dafür reservierten Raum stattfinden, den die Klubmitglieder heimelig dekoriert haben, mit Wappenbildern, frisch aufgebügelten Gardinen und Deckchen.

Die Vorurteile der Linzer Bevölkerung gegenüber den polnischen Einwanderern sind immer noch virulent, Polenwitze über polnische Schwarzarbeiter, Alkoholiker und Autodiebe an der Tagesordnung. Pawel Althamer wollte die oberflächlichen Vorurteile karikieren mit einem schwarzen Mercedes, der vor dem O.K hätte stehen sollen, um daraus ‹schwarz› Alkohol zu verkaufen. Doch die polnische Botschaft intervenierte und auch Angehörige des polnischen Klubs fanden das nicht gerade imagefördernd. Stattdessen gibt es jetzt eine polnische Baustelle im O.K-Centrum, das sich in einer Renovierungsphase befindet. Althamer, der sich selbst als einen ‹Regisseur der Realität› bezeichnet, hat ein nostalgisches Setting dafür vorbereitet: ein Tisch mit Zeitschriften aus der Heimat, ein alter Spind, den er aus Polen eingeführt hat, und natürlich polnisches Bier. Geschützt durch ein Plastikzelt steht ein polnischer Arbeiter im traditionellen karierten Handwerkerhemd vor der Wand, die abgerissen werden soll. Er meisselt sich langsam am Umriss der Landkarte Polens entlang, die auf die Wand gezeichnet ist. Auch mit dem Rest der Welt kann er sich Zeit lassen.

Bis 15.7.2001

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Ausgabe: 06 / 2001
Ausstellung: Re:Location (P. Althamer, A. Strauss u.a.) (07.04.2001 - 15.07.2001)
Institution: O.K Centrum für Gegenwartskunst (Linz)
Autor/in: Beate Engel
Künstler/in: Pawel Althamer , Dominik Lejman , Thomas Latzel-Ochoa , Karl-Heinz Klopf , Andi Strauss