|
‹Towards the better› prangt in
grossen Lettern als weit sichtbarer Willkommensgruss an der Flanke der
Eingangsrampe des O.K.–Centrums für Gegenwartskunst. Unter besten
Bedingungen haben die Polen Dominik Lejman und Pawel Althamer und die
Österreicher Thomas Latzel-Ochoa, Karl-Heinz Klopf und Andi Strauss an dem
gemeinsamen Ausstellungskonzept Re:Location gearbeitet, dem mehrwöchige
Gastaufenthalte im jeweiligen Partnerland vorausgingen. Dem Kurator Adam
Budak ging es darum, eine Ausstellungslandschaft zu kreieren, die aus
ständigen Ortsverschiebungen und Standpunktwechseln besteht, aus
Oberflächen und Oberflächlichkeiten, die sich aneinander reiben: ‹An der
Oberfläche wird Bedeutung kreiert, hier passieren die wichtigsten Dinge,
nichts bleibt verborgen, aber nicht alles ist sichtbar.›
Dominik
Lejman, der unter anderem am Londoner Royal College of Art studiert hat,
spielt schon seit Jahren mit im internationalen Kunstbetrieb und
beobachtet die inhärenten sozialen Mechanismen mit kritischer Ironie. Er
empfängt die Ausstellungsbesucherinnen im Eingangsberich des O.K mit einem
Überwachungsvideo, das zeigt, wie sie vor kurzem die Eingangsrampe des
Kunsthauses beschritten haben, doch unter die realgetreuen Aufnahmen
mischen sich nackte Fussgänger. So verwandelt sich der Slogan ‹towards the
better› zum vieldeutigen Orakelspruch, und der Eingang des Kunstzentrums
wird zum ‹catwalk› der Eitelkeiten oder zur rituellen Passage. In einer
weiteren Arbeit widmet sich Lejman dem österreichischem Nationalsport.
Sein auf die Wand projizierter Negativfilm zeigt winterliches
Freizeitvergnügen. Weisse Phantomgestalten rutschen auf ihren Skiern durch
ein Nowhereland, im Gruppenverband, aber doch allein, wie ein
ferngesteuertes Fliegenballet. ‹Bei dieser Arbeit hat mich die Frage
geleitet, was wäre, wenn ein Anthropologe von einem anderen Stern dieses
absurde Treiben sehen würde?›, kommentiert Lejman den Film. Der
Österreicher Thomas Latzel-Ochoa treibt die ‹Fit for Art›-Strategie auf
die Spitze. Er hat ein komplettes Basketballfeld ins Kulturzentrum
transferiert, das sich so harmonisch in den Hinterhof-artigen Annexbau der
ehemaligen Schule einfügt, als wäre es schon immer dort gewesen. Zum
Blockbuster-Sound können die Besucher hier ihr sportliches Talent
erproben. Auf einem Video stellen die Künstler, der Kurator und der
O.K.-Direktor keuchend ihre sportliche Teamarbeit zur Schau.
Der
Österreicher Karl-Heinz Klopf hat ein Herzstück der ehemaligen polnischen
Hauptstadt Krakau per Video nach Linz transportiert. Umzugskartons dienen
als Sockel für Monitore, auf denen drei junge Bewohnerinnen Krakaus von
ihrer Beziehung zum königlichen Schloss Wawel erzählen. Eine
schwarzhaarige Polin berichtet, wie sie als kleines Mädchen davon geträumt
habe, als Prinzessin im Schloss zu wohnen. Eine Japanerin beschreibt auf
polnisch, dass das Nationalsymbol für sie inzwischen ein Stück ‹zuhause›
sei. Zusätzlich wird auf einer grossen Leinwand eine Ansicht auf das
mächtige Schloss gezeigt, die aus dem Fenster des hochmodernen gläsernen
Center for Japanese Science and Technology gefilmt wurde. Vor der Aufnahme
des breiten Weichsel-Flusses und des dahinter liegenden Schlosses flimmern
Manga-Animationen, die aus der japanischen Comics-Ausstellung stammen.
Gerade tobt ein kämpfender Drache über das Wasser. Gleichzeitig ertönt die
Geschichte der dritten Interviewpartnerin, einer blonden Polin, die auf
deutsch mit amerikanischem Akzent die Geschichte vom Drachen erzählt, der
die Prinzessin im Wawel-Schloss einst gefangen haben soll… Ein
Paradebeispiel dafür, dass sich nationale Mythen und Identitäten nicht
erst seit dem Zeitalter des Globalismus vermischen.
Andi Strauss
hat sich während seines Aufenthalts in Polen mehr auf die Parallelen als
auf die nationalen Unterschiede konzentriert. Sein mobiles
Pop-Up-Schlafzimmer ‹onthemove› mit dazugehörigem Flachbildschirm-Fake,
das einem Ikea-Modell nachempfunden ist, könnte seiner Meinung nach auch
dem Traum eines polnischen Jugendlichen entsprechen. Tatsächlich lässt
Ikea einen Grossteil seiner Produkte kostengünstig in Polen produzieren,
doch im Raum nebenan, dem ‹Polski-Club›, herrscht immer noch ein anderer
Einrichtungsstil vor. Hier haben sich polnische ImmigrantInnen
eingenistet, auf Einladung von Pawel Althamer, der seit einigen Jahren mit
provozierenden sozialen Interventionen und Arbeiten im öffentlichen Raum
auf sich aufmerksam macht. Das Centrum für Gegenwartskunst wurde flugs ins
‹Centrum Sztuki Wspolczesnej› umgewandelt, die Website des Clubs gibt
Auskunft über das Veranstaltungsprogramm: Eine Präsentation von gewobenen
Wandteppichen, polnische Livemusik, sportliche Wettkämpfe und ein
Malwettbewerb für Kinder werden während der Ausstellung in einem dafür
reservierten Raum stattfinden, den die Klubmitglieder heimelig dekoriert
haben, mit Wappenbildern, frisch aufgebügelten Gardinen und
Deckchen.
Die Vorurteile der Linzer Bevölkerung gegenüber den
polnischen Einwanderern sind immer noch virulent, Polenwitze über
polnische Schwarzarbeiter, Alkoholiker und Autodiebe an der Tagesordnung.
Pawel Althamer wollte die oberflächlichen Vorurteile karikieren mit einem
schwarzen Mercedes, der vor dem O.K hätte stehen sollen, um daraus
‹schwarz› Alkohol zu verkaufen. Doch die polnische Botschaft intervenierte
und auch Angehörige des polnischen Klubs fanden das nicht gerade
imagefördernd. Stattdessen gibt es jetzt eine polnische Baustelle im
O.K-Centrum, das sich in einer Renovierungsphase befindet. Althamer, der
sich selbst als einen ‹Regisseur der Realität› bezeichnet, hat ein
nostalgisches Setting dafür vorbereitet: ein Tisch mit Zeitschriften aus
der Heimat, ein alter Spind, den er aus Polen eingeführt hat, und
natürlich polnisches Bier. Geschützt durch ein Plastikzelt steht ein
polnischer Arbeiter im traditionellen karierten Handwerkerhemd vor der
Wand, die abgerissen werden soll. Er meisselt sich langsam am Umriss der
Landkarte Polens entlang, die auf die Wand gezeichnet ist. Auch mit dem
Rest der Welt kann er sich Zeit lassen.
Bis 15.7.2001
|