Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Galerien

Vom Hoserl ins Doserl

Aufzählung (cai) Warum hat Ina Weber nicht einfach einen Aschenbecher getöpfert? Weil das keine Kunst wäre. Ach, und mobile Toilettenkabinen aus Ton, klein wie Nippsachen, sind künstlerisch wertvoll? Na ja, wenigstens würde diese klassische Arschitektur, Tschuldigung: Architektur, als Allegorie der Kunst durchgehen. Hä? Wieso als Allegorie der Kunst? Weil Kunst von Können kommt. (Oder von Müssen? – Oh, das erinnert mich an diesen Klodeckel, der Verstopfungsgeplagte mit einem Zitat von Barack Obstipama, äh: Obama, anfeuert: "Yes, You Can!") Gut, der Piero Manzoni hat das ein bissl weniger diskret ausgedrückt ("ausgedrückt" im pikantesten Sinne des Wortes). Der hat Konservendosen mit seiner Merda d’artista abgefüllt (mit seinem Künstlergackerl). Aus dem Hoserl ins Doserl.

Oder sollen die liebevoll glasierten Keramikhäusln (wohlgemerkt: Häuschen, nicht Häufchen) vielleicht ehkein Manifest sein, sondern eine Hommage ans Banale? Im Keller der Galerie Kargl gibt’s dann Übungsgeräte, mit denen man sich auf den nächsten England-Urlaub vorbereiten kann. Teebeutel sind’s trotzdem keine. Vielmehr begehbare Wartehäuschen,die so eng sind, dass nur eine schlanke Warteschlange reinpasst. Sich anzustellen gehört in Großbritannien ja zur Folklore. Zartschmelzend wie die Glasur auf den Keramiken sind auch die Wasserfarbenbilder (wildromantische Architektur-Impressionen), die man sich auf der Netzhaut genüsslich zergehen lässt und wo das Papier mitlebt und sich wellt. Was ist ein Aquarell denn anderes als ein ausgetrocknetes Gewässer, das sich noch lebhaft an die Feuchtigkeit erinnert?

Georg Kargl Fine Arts
Schleifmühlgasse 5
Ina Weber
bis 5. März
Di. – Fr.: 11 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr

Die blaue Periodulliäh

Aufzählung (cai) Wenn Rembrandt eine blaue Periode gehabt hätte, dann a) hätte sich der Picasso nach seiner blauen Periode ernsthaft fragen müssen: "Wo woa mei Leistung?", b) würden die Selbstporträts aussehen, als hätte da einer zu tief in den Spiegel geschaut (äh, nein: ins Glas ), weil "blaue Periode" in Wahrheit ein Euphemismus wäre für Alkoholismus. Aber in dem Fall gäbe es heute ja einen "Rembrandy" (sprich: Rembrändi), so wie nach dem Jelzin ein Wodka benannt ist. Ivica Capan färbt jedenfalls einen Rembrandt, warum auch immer, blau ein. Von anderen was klauen (pardon: zitieren), tut er überhaupt gern. Und dann ertränkt er die Zitate gleich in allen Farben auf einmal. Schmirgelt wieder viel ab (dass man die geschundenen Bilder mit Pflasterln verarzten möcht’). Die Technik ist äußerst appetitlich. Wenn er Sexbomben in einen bunten "Konfettiregen" zerrt, ist das freilich nicht grad "feministischer Impressionismus". Dafür sind seine Leiberln mit der Parole der Französischen Revolution (in der Langfassung) soeben unerwartet aktuell geworden: "Liberté, Egalité, Fraternité ou la Mort" (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit oder der Tod). Immerhin besser als "Leg dich nicht mit mir an, Gaddafi, ich kann Sudoku!"

Knoll Galerie Wien
Gumpendorfer Straße 18
Ivica Capan
bis 25. März
Di. – Fr.: 13 – 19 Uhr, Sa.: 13 – 17 Uhr

Wände haben Eselsohren

Aufzählung (cai) Die Galerie Lindner ist derzeit eine Ausnüchterungszelle. Weil die Arbeiten von Andrea Maria Krenn so verdammt trocken sind, also "unblau". Steife Geometrie, auf MDF-Platten lackiert. Aber von den Titeln kriegt man einen leichten Schwips. Von der orakelhaften Poesie. ("Zwischen Formfrage und Zusammenhang liegt ein Flüstern.") Und wenn Krenn in ein weißes Quadrat ein Eselsohr macht und den Rahmen mit umknickt, wird aus etwas, das quasi 0,0 Promille hat, was Hochprozentiges: "112,5cm 2 um das Vergessen zu vermeiden." 112,5cm 2 ? Die Fläche vom Eselsohr.

Galerie Lindner
Schmalzhofgasse 13
Andrea Maria Krenn
Bis 31. März
Di. – Fr.: 14 – 18 Uhr

 

Printausgabe vom Mittwoch, 02. März 2011
Online seit: Dienstag, 01. März 2011 17:59:00

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