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Leidenschaft und Qual: Adolf Frohner ist tot

25.01.2007 | 00:00 | Von ALMUTH SPIEGLER (Die Presse)

Der Mitbegründer des "Wiener Aktionismus" war einer der bedeutendsten Maler Österreichs.

Es gibt Besuche, die man ewig bereuen wird, nicht gemacht zu haben. Adolf Frohner ist tot. Mittwochabend war er einfach nicht mehr da, dieser starke, sture Mann, der einen so herzlich schelten und loben, belehren und begeistern konnte. Was bleibt, ist Bitterkeit, dass er niemandem die Möglichkeit gegeben hat, sich zu verabschieden. Nicht seinen Galeristen, nicht seinen Kollegen, nicht seinen Partnern.

Was bleibt ist aber auch ein Werk, das nicht österreichischer sein könnte, das spektakulär mit dem Wiener Aktionismus begann und mit der puren künstlerischen Existenz eines Malers, dem nackten Körper und der Farbe, endete. Die letzten Telefongespräche, die letzten Szenen der Begegnung mit dieser gestrengen, liebevollen Vaterfigur werden jetzt in Erinnerung gerufen - und ein Werk, das spektakulär mit dem Wiener Aktionismus begann und mit der puren künstlerischen Existenz eines Malers, dem nackten Körper und der Farbe endete.

Die letzten Szenen der Begegnung werden jetzt in Erinnerung gerufen - vor kurzem erst, ein rascher Blick nur auf den mit tief in die Stirn gezogene Kappe durch die Wiener Innenstadt Eilenden. Die Ahnung, dass es ihm abgeht, seine Professur an der Angewandten, wo er seit 1972 gelehrt hatte. Aber auch das Wissen, dass hier einer durch sein pralles Leben schreitet, voll Pläne, voll Energie.

Platz für junge und alte Kunst

Endlich hatte er sein in Mitleidenschaft gezogenes Welten-Panorama in der U-Bahnstation Westbahnhof langfristig vor Vandalen schützen können. Endlich hatte er einen eigenen Raum bekommen, eine eigene Ausstellungshalle gar, das Frohner-Forum im Minoritenkloster Krems, das heuer am 29. September eröffnet werden soll. Am 19. Jänner war erst der Spatenstich.

Aber nicht nur für sich selbst wollte er dieses Privileg beanspruchen, kein Weihetempel eines alten Malers sollte dieser Ort werden. Nein, von überall wollte Frohner Kunst hier ausstellen, junge und alte, die ihn interessierte. Es wird eine Eröffnung des Gedenkens werden. An einen unverzeihlich schnell Fortgerissenen.

Gerade noch, letzte Woche, scherzte er mit Freunden, ging ins Gutruf essen, betrachtete die Fotos an der Wand, wurde sentimental - so viele waren schon tot von diesen seinen Weggefährten.

Mit Frohner starb einer, der in der Wiener Kunstszene seit der Nachkriegszeit verwurzelt und verzweigt war, wie es heute kaum noch einer ist. Er kannte alle, alle kannten ihn. Liebten ihn, mochten ihn, schimpften vielleicht ein bisschen - aber wirklich gram war ihm keiner.

Und auch er war nie unversöhnlich, auch wenn er am Kult der letzten Jahre um den Wiener Aktionismus nicht so recht partizipieren durfte. Dabei war er als Dritter im Bund dabei, als die Ur-Szene passierte, als er, Otto Mühl und Hermann Nitsch 1962 revoltierten gegen den Nachkriegsmief der Wiener Gesellschaft, als sie sich einmauerten in einem Keller und taten, was sie tun mussten. Nämlich "blutorgeln".

In Frohners Fall - er war gerade zurückgekehrt aus Paris, wo er den Noveaux Realistes sehr nahe kam - war das eine Material-Orgie, war das Matratzen-Zerschlitzen, war das ultimatives Zerstören dieses Symbols schläfriger Gemütlichkeit. Die Relikte dieser Akte, diese brutalen Objekte mit heraushängenden Stroh-Gedärmen, gehören noch immer zu den stärksten Werken des Autodidakten Frohner.

Aber auch später noch - derart gut gemachte Retrospektiven wie die im BA CA Kunstforum 2001 zeigten das - konnten seine besten Gemälde den Betrachter töricht berauschen. Diese geschnürten Frauenleiber! Wo alles quillt, so hässlich und lustvoll, dass es einem die Röte ins Gesicht trieb. Aber auch biblische Themen reizten ihn, den Ungläubigen, den "Sozialisten". Hauptsache, es war Leidenschaft im quälenden Thema, ob in der fleischlichen Begierde oder im Feuer, das den fanatischen Bußprediger Savonarola umfing.

Rot und Schwarz, das waren Frohners Farben. So düster, expressiv und wild _-so kräftig wie er, dachte man. Jetzt muss man beginnen, über diese scheinbar täuschende Kraft nachzudenken. So kräftig wie er, dachte man. Jetzt muss man beginnen, über diese Kraft nachzudenken. Aber immerhin. Er hat gelebt. Voll gelebt. Und er hat geschaffen. Gutes geschaffen. Jetzt wird er vor allem eines tun. Uns fehlen.

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