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Drucken 23.12.2003   17:07 Uhr

Weihnachten in der Familie

Alle Jahre, schon wieder

Immer an Weihnachten wächst die Sehnsucht nach einer heiligen Ersatzfamilie – von der Jugendclique bis zur utopischen Kommune
Von Holger Liebs

 
 
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(SZ vom 24.12.2003) - Da ist er wieder: der tote Punkt. Alle Jahre wieder stellt er sich pünktlich nach Truthahn und Bescherung ein: Christ ist geboren, begleitet vom improvisierten Bachkantatensound entstaubter Mollenhauer-Blockflöten, die Sternlein funkeln, das Lametta auch, und es ist Frieden in der Republik. Satt und müde vom Beschenktwerden ergänzen sich die lieben Verwandten zum ödipalen Dreieck, erweitert um ein zusätzliches Familienmitglied, das diesmal schweigen muss, denn „der Fernseher bleibt aus“.

Was tun? Vielleicht dies: das gute Buch, das gute Gespräch, einmal mehr das Weihnachtsoratorium auf Konserve oder der Dia-Abend, „weißt du noch, 1983, der Segeltörn um Elba?“. Tja. Für die Nachgeborenen, die, obschon meist schon ausgewachsen, in der Heiligen Nacht wieder zu Kindern mutieren, ob sie wollen oder nicht, bliebe da noch eine andere heiße Adresse: die erste außerfamiliäre Gemeinschaft, die sie sich selbst geschaffen haben, also die Clique. Man sieht sich in der Dorfdisko, vereint im teen spirit vergangener Jugend, wohl zu der halben Nacht.

Es ist seltsam: Kaum im Schoß der Familie angekommen, haben die gar nicht so lieben Kleinen keinen sehnlicheren Wunsch, als den biologischen Banden erneut zu entsagen und auf Cappuccino-Kommune zu machen. In einer vergleichsweise harmlosen Ablehnung der Sippenhaft vereint mit ihresgleichen, hoffen sie auf Aufbruch, glühende Erleuchtungsmomente im Kollektiv oder einfach auf den schnellen Kick. Man verspricht sich Liberté, Egalité, Fraternité, wie anno dazumal.

Die Teenie-Clique ist schließlich nur die pubertäre Vorstufe älterer und ausgereifterer Gegenmodelle zur Keimzelle des Staates, zu künstlichen Ersatzfamilien und Alternativgemeinschaften mit Patchwork-Struktur, Bürgerschreck-Ästhetik, kollektiver Zivilisationsflucht und eingebautem Glücks- und Erlebnisversprechen.

Vater, Mutter, Kommunarde

Und so bleiben viele auch nach der Jugendzeit noch weiter auf der Suche, on the road, freiwillig oder zwangsweise unbehaust, weil es Mode ist oder weil man es den Alten mal so richtig zeigen will oder weil das Private das Politische ist und man die kapitalistische Kleinfamilie überhaupt für überholt hält.

Wo immer man sich dann seinem Glück im Hier und Jetzt ein Gehäuse verschaffen will, in Kommunen, Kadern, Künstlerkolonien oder einfach nur in der Studentenbude: all diese künstlichen Wärmepole der jüngeren Vergangenheit eint die sinnstiftende Gesellschaftsutopie des schnellen Weges zum Heil, zur immerwährenden Toskana im Herzen sozusagen.

Das ist eben jener utopische Ort, den die Familie nicht einmal mehr über den Umweg touristischer Eskapaden zu erreichen vermag, weil sie an den immer neuen Gestaden immer nur das altbewährte Muster bereitstellt: Vater, Mutter, Kind.

Und so lässt man die Racker denn ziehen, angsterfüllt zwar, aber äußerlich gelassen, weil sie sich halt mal austoben müssen und weil sie ja doch meistens zurückkommen, wenn auch zuweilen seltsam gekleidet. Es ist mit der Flucht aus familiärer Geborgenheit ins utopische Paradies einer verschworenen Ersatzgemeinschaft nämlich ein wenig so wie mit dem Hasen und dem Igel.

Wo immer man sein Matratzenlager aufschlägt, schallt es einem von Seiten der tradierten Machtstrukturen entgegen: Ick bün all hier! Getrieben von Rilkes existenziellem Imperativ, „Du musst dein Leben ändern“, kommen die erlebnishungrigen Novizen im selbstgewählten Parnass an – und erkennen, dass nicht nur das Bett bereitet ist, sondern auch noch jemand drinliegt, der sich dieses Recht einfach nimmt, weil es ohne Chef selbst in der radikalsten Libertinage nun einmal nicht geht.

Das ist dann meist die erste alternative Gemeinschaftserfahrung: Immer ist da irgendein Apostel oder Bußprediger, der bestimmt, wo’s lang geht. Dem Vater-Sohn-Konflikt fürs Erste glücklich entronnen, konnten die adoleszenten Weltflüchtlinge der offenen Gesellschaft es meistens gar nicht eilig genug haben, ein Meister-Schüler-Verhältnis einzugehen.

Von den literarischen Zirkeln und Künstlerkolonien der vorvergangenen Jahrhundertwende bis hin zu den Hippie-Kommunen der seligen Aufbruchsära in den Sechzigern war da immer ein charismatischer Führer, der als quasigöttlicher Ersatzvater in säkularisierter Zeit fungierte und mit gutem Beispiel voranging – immer das Ziel der gemeinsamen Erleuchtung und Erlösung vor Augen.

So war es dann auch zu Zeiten des Chefkommunarden Otto Mühl und seiner anarchischen Kommune Friedrichshof in Österreich, wo in den rauen, radikalen Tagen der frühen siebziger Jahre das strenge Diktat vergemeinschaftlichten Besitzstandes, zwanghafter Selbstentblößung und antibürgerlicher Polygamie herrschte.

In Mühls Kommune asketischer Glatzköpfe, wo Intellektuelle und Künstler der Zeit ein- und ausgingen, rasierte man mit dem Haupthaar auch die letzten Merkmale familiärer Herkunft ab – doch bald blühten, vom Big Brother Mühl eher geduldet als unentdeckt, klassische Beziehungskisten in den Gemeinschaftsbetten der vermeintlichen Gammelbrüder, und die Yuppies unter den Kommunarden agierten höchst bürgerlich als erfolgreiche Makler in München, von wo sie mit ihren BMWs dicke Geldbündel zum chronisch finanzschwachen Friedrichshof brachten.

Am Bungeeseil der Zivilisation

Nun würden sich die heutigen Erlebnishungrigen am Bungeeseil der Zivilisation strikt dagegen verwahren, derart rigide gegängelt zu werden. Sie werden ihren „Lord of the Flies“, ihre „Animal Farm“ oder „The Beach“ schon gelesen oder gesehen haben: Die kollektive Utopie jenseits ödipaler Strukturen kann nur allzu schnell umschlagen in totalitären Terror. Ihnen bieten sich mittlerweile raffiniertere Vergesellschaftungsformen an, auf Hightech-Basis und Leistungsprinzip gründend, also mitten im Schoß des bürgerlichen Lebens.

Selbst die verkiffteste Drop-out-Kommune der Hippiezeit, wo die Kindheit im Schlaraffenland am Ende der Welt ewig dauern sollte, war schließlich auf die Müllcontainer der Supermärkte und ein großzügiges Sozialamt angewiesen, und so ist es kein Wunder, dass auch Ex-Kommunarde Rainer Langhans, der einst im Zentrum Berliner Republikverachtung anno ’68 mit Uschi Obermaier auf sex & revolution machte, inzwischen den Weg des Kapitals gegangen ist und aus seinem Zicken-Harem eine Daily Soap gemacht hat.

Allüberall blühen Big-Brother-Container und Casting-Shows, diese fernsehgerechten Schwundstufen alternativer Lebensformen. Den Eltern der derart medial Initiierten, die sich diese Form der Intimitätstyrannei antun, kann es ja nur recht sein, dass die Kleinen streng unter der Obhut und Kontrolle der Big-Brother-Kameras herumexperimentieren – so lässt sich gemütlich vom Fernsehsessel aus begutachten, ob sie auch keinen Unsinn treiben.

Ehemalige Kinderladengründer, die heute gerne Cocooning im Landhausstil betreiben, könnten freilich traurig die Köpfe hängen lassen, wenn sie sehen, wie der Nachwuchs sich Vater Staat in Gestalt des so genannten Privatfernsehens an den Busen wirft. Sie hätten es ja gerade noch geduldet, wenn ihre Kinder ihnen, ihrer Stadt, ihrem Staat auf immer Lebewohl gesagt hätten: Das hatten sie ihnen schließlich mit der Muttermilch mitgegeben, dass die Familie, diese kleinste Einheit der Reproduktion, nur die Keimzelle des Staates ist.

Und nun muss es für sie ein wenig so sein wie bei Christi Geburt, wo es an der Krippe Jesu ja auch eine patriarchalische Konkurrenz zwischen Nennvater Joseph und einer höheren Instanz gegeben hat.

Sie sollen nicht traurig sein. Wer einmal im Container war, der wird im nächsten Jahr bestimmt wieder nach Hause kommen an Heilig Abend. Ganz bestimmt.



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