Eilig huschte er mit dem Pinsel über die
Leinwand, denn er wollte schneller sein als der Tod. "Eine Prüfung an der
medizinischen Fakultät" ("Un examen a la faculte de medecine") hieß sein
letztes Werk, das Henri de Toulouse-Lautrec in der Heilanstalt von
Neuilly, einem schicken Pariser Vorort, malte. Der auf dem Ölgemälde
abgebildeten Doktorprüfung seines Cousins, Tapie de Celeyran, konnte er
jedoch nicht beiwohnen.
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"Moulin Rouge", 1891 (Zum Vergrößern
anklicken) |
Die Syphilis hatte den nur 1,50 Meter großen Körper des französischen
Künstlers schon zu stark geschwächt. Am 9. September 2001 jährte sich der
100. Todestag des Malers und Grafikers, der vor allem mit Plakaten für den
Pariser Vergnügungstempel "Moulin Rouge" berühmt wurde.
Leben wie ein Roman
Das Leben des verkrüppelten Montmartre-Malers war von kurzer Dauer und
aus jenem Stoff, aus dem große Romane entstehen. Am 24. November 1864
wurde der letzte Spross eines der ältesten Adelsgeschlechter Frankreichs,
das königliches Blut und eine Ahnenreihe bis zu Karl dem Großen aufweist,
in der südfranzösischen Stadt Albi geboren.
Nach zwei schweren Unfällen im Kindesalter - Brüche, die das Wachstum
der Beine verhindern - und ersten Symptomen einer schweren
Knochenerkrankung musste er viel liegen. Mit der von den Eltern
gewünschten militärischen Karriere und dem mondänen Leben war es damit
vorbei.
Schulhefte voller Tierzeichnungen
Statt zu reiten und zu jagen, zeichnete Toulouse-Lautrec seine
Schulhefte mit Pferden, Hunden und Falken voll, widmete sich als
Elfjähriger der Ölmalerei und hatte in seiner Geburtsstadt als 17-Jähriger
bereits einen Namen als Maler. Im Jahr 1882 ging er schließlich nach Paris
und nahm Unterricht bei Leon Bonnat, der überwiegend Berühmtheiten der 3.
Republik porträtierte.
Ihm machte es der adlige Maler wenige Jahre später nach, als er zu
Beginn der Belle Epoque, jener Zeit des dekorativen Amüsements um die
Jahrhundertwende, fast alle Schaugrößen aus dem quirligen Nachtleben des
Künstler- und Vergnügungsviertels Montmartre darstellte.
Die Welt der Unterhaltungskünstler
Die bunte und schlüpfrige Welt der Unterhaltungskünstler -
Prostituierte, Sängerinnen, Tänzerinnen, Kabarettisten - zwischen
"Pigalle", "Moulin Rouge" und dem "Place Blanche" wurde zu seiner zweiten
Heimat.
"Jeden Abend gehe ich in die Bars, um zu arbeiten", schrieb der
zwergenhafte Graf einst, der zum Chronisten der Pariser Boheme und
Nachtschwärmer wurde. Zu Toulouse-Lautrecs Lieblingsmodellen gehörten der
Chansonnier Aristide Bruant, dessen Markenzeichen sein knallroter Schal
und seine raue Stimme waren, und die Cancan-Tänzerin Jane Avril, die im
"Jardin de Paris" ihre schönen Beine in die Höhe schwang.
Stammgast im "Moulin Rouge"
Im legendären Tanzpalast "Moulin Rouge" am Boulevard de Clichy war der
Künstler der Nacht Stammgast. "Dort fühlte sich Lautrec wohl wie ein Fisch
im Wasser, den nur der Alkohol in den Netzen hielt", meinte ein
Zeitgenosse des Grafen. Eine ganze Serie von Zeichnungen und Plakaten
widmete Toulouse-Lautrec seiner Freundin Yvette Guilbert, die in der
berühmten Bar Les Ambassadeurs, in der Nähe der Champs-Elysees, ihre
Stimme zum Besten gab.
Neben dieser Welt der singenden und Beine schwingenden Künstler malte
er ein ganzes Jahrzehnt immer wieder lesbische Liebschaften zwischen
Prostituierten in den "maisons closes", den Pariser Lusthäusern.
Auch populärer Illustrator
Neben seiner Karriere als adliger Plakatmaler verdiente er sich sein
Geld als populärer Illustrator mit Zeichnungen für "La Revue blanche" und
andere Magazine mit Theaterprogrammen, Einbänden und Illustrationen für
Bücher.
Als Maler erst posthum berühmt
Erst durch seinen Freund, den Kunsthändler Maurice Joyant, wurde
Toulouse-Lautrec posthum als Maler zum Begriff:
Im Jahr 1902 organisierte dieser die erste Retrospektive, die
Toulouse-Lautrec als Maler zeigte, dessen Vorbilder Edgar Degas und Paul
Cezanne waren. 20 Jahre später wurde auf Joyants Initiative hin in Albi
das Toulouse-Lautrec-Museum eröffnet, das die schönsten Werke und die
größte Sammlung des adligen Künstlers besitzt.
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