diepresse.com
zurück | drucken
06.06.2003 - Ausstellung
Humus und Frittaten
Was hätte Thomas Bernhard zu Hundertwasser gesagt? Wir werden es nie erfahren. Ob wir es erahnen können, wenn wir die Doppelausstellung im KunstHaus Wien sehen?
Von Wilhelm Sinkovicz


Sie waren beide – jeder auf seine Art – prägende Gestalten in der österreichichen Kulturszene der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Idee, sie in einer Ausstellung gemeinsam zu würdigen, konnte allerdings wohl nur den Veranstaltern im Kunst Haus kommen;wenn auch aus nahe liegenden Gründen. Ob sich Thomas Bernhard zur windschiefen Architektur Friedensreich Hundertwassers geäußert hat, er, der sich in karg möblierte, weiß gekalkte, nur vom Duft des Holzes erfüllte Bauernhäuser zurückgezogen hat, das ist nicht überliefert.

Gegenüberstellung. Wie auch immer, wir können jetzt dem scheuen Dichter und dem gern in aller Öffentlichkeit über seine grünen Theorien philosophierenden Maler nachspüren. Fotografien von Erika Schmied stellen „Bernhards Österreich“ und „Hundertwassers Paradiese“ einander gegenüber. Der Poet, der sich seitenweise über die Notwendigkeit ausgelassen hat, sich auf den Aborten des Wiener Musikvereins die Nase zuhalten zu müssen, versus Hundertwassers Humustoilette. Ein charmantes Duell.

Faszinierend ist es freilich nicht nur für Erika Schmied, den Schauplätzen von Bernhards Romanen und Theaterstücken nachzuspüren. Wo steht das „Kalkwerk“ wirklich und wie sieht es aus? Wo gibt es die viel zitierte Frittatensuppe? Durch welche Orte führt die Odyssee auf der Suche nach der verlorenen Zürcher Zeitung?

Auf der anderen Seite die Zufluchtstätten des Friedensreich Hundertwasser – ein Bauernhof in der Normandie, ein aufgelassenes Sägewerk im Waldviertel, ein Garten samt Gartenhäuschen in Venedig und zuletzt die Bay of Islands in Neuseeland. Ja, das KunstHaus nicht zu vergessen, nach ihm benannt und jetzt eben Schauplatz dieser ungewöhnlichen fotografischen Spurensuche.



© Die Presse | Wien