Nach der langen erzwungenen Abwesenheit von
der Heimat empfand Wacker die vertraute Landschaft und die von
Kindheit an gekannten Berge besonders intensiv. Zwar hatte es ihn
nach seiner Rückkehr aus der sibirischen Gefangenschaft sogleich in
die Kunstmetropole Berlin und in die Gemäldegalerien der Städte
gezogen, die Sommer verbrachte er aber stets zu Hause.
Auf Wanderungen und kleinen Reisen in die Heimat seiner Mutter,
den Bregenzerwald, und nach Tirol, dem Ursprung seines Vaters,
suchte er seine Wurzeln. Im Landschaftserlebnis fand er seine eigene
Lebenskraft und seine Zugehörigkeit zum europäischen Kulturkreis
bestätigt. Auf zahlreichen Zeichnungen und Gemälden hielt er die
markanten topografischen Besonderheiten der Landschaft - Felsen,
Bergformationen, Flüsse - und die architektonischen Wahrzeichen der
Heimat - Kirchen, Brücken, historische Gebäude - fest. "Tiefes
Heimatgefühl in den Bergen. - Vereinfachung. - Sehnsucht dort zu
leben u. zu arbeiten. - Neuer Eindruck: die Grazie der
Berglandschaft. - Entzücken über die Bauernkultur: Menschen, Tracht,
Häuser, Möbel und Hausrat. Doch erlischt rasch die Tradition, das
Lebendige dieser Kultur ist nur mehr ein Rest." (Tagebuch, 4. 9.
1921) "In Bichlbach. 2 Tg. in Reutte. Ausflüge nach Stockach, Lähn,
Wängle, Lermoos. - Bekanntschaft mit den väterlichen Verwandten. -
Neues, verstärktes Bewußtsein: auch ich ein ,Wacker`. -
Kraftzuschuss. Tiefer Eindruck von der Landschaft und dem prächtigen
Menschenschlag." (Tagebuch, 29. 9. 1921)
Während der Gefangenschaft war seine Sehnsucht nach der Heimat
immer stärker geworden. Hier war in ihm auch das Verlangen
gewachsen, nach seiner Rückkehr diese Verbundenheit in seinem
malerischen Werk auszudrücken. Viele seiner damaligen
Tagebuchaufzeichnungen lesen sich wie die Vorwegnahme später
gemalter Bilder. "Jetzt fahren wir im Ural. Es ist unaussprechlich
welches Entzücken mir der Anblick der Kalkfelsen, der Tannen, der
alpenkräftigen Kräuter bereitet, - sah ich doch über ein Jahr nichts
als Ebene! - Der Charakter der Landschaft ist unserm heimatlichen
Mittelgebirge so ähnlich, dass ich nicht begreifen kann, dass ich
nicht irgendwo aussteigen und wieder geliebte Menschen grüße. - Die
Birken und Tannen dieser wilden Waldungen erinnern mich mehr als
ich©s je daheim sah an die altdeutsche Zeichnung (Altdorfer,
Cranach). - Entwurzelte Birken, die für die Komposition sehr
brauchbar sind (die weißen Stämme, schräg gelegt, und das hellgrüne
Laub, in dem dunkeln Waldhang)." (Tagebuch, 1. 7. 1916) 1922 und
1923 malte und zeichnete Wacker mehrere Fassungen des Blicks auf das
"Känzele", eines auffallenden, steilen Felsabbruches am Pfänder, dem
Hausberg der Bregenzer. Auf zwei Ölgemälden gibt er in dramatischer
Ansicht von unten, in übersteigerter Perspektive diese jäh
aufragenden Felsen wieder. Gegen das leuchtende Rotorange der
Steinwand stellt er in starkem Kontrast die dunklen Tannen. Das
Gemälde, im Besitz der Landeshauptstadt Bregenz, ist gegenüber der
anderen Fassung, in Privatbesitz, in der Farbigkeit wesentlich
gesteigert, erscheint mit dem abgebildeten Mond und den starken
blauen Schatten fast wie eine nächtliche, künstlich ausgeleuchtete
Landschaft. Neben den Bergen war der Bodensee das wichtigste Motiv
Wackers. Den Lindauer Hafen, mit der markanten Einfahrt zwischen dem
steinernen Löwen und dem Leuchtturm, und den direkt am Hafen
stehenden spitzen Turm hat er unzählige Male in wilder Bewegtheit
gezeichnet. Wackers Bilder und Zeichnungen stießen aufgrund dieser
"Deformierungen" der Natur auf Unverständnis und teilweise sogar auf
Ablehnung bei den heimischen Kritikern. So schrieb Dr. Wilhelm Wolf,
ansonsten ein Förderer und Freund Wackers, anlässlich der
Kollektiv-Ausstellung mit Albert Bechtold "Zeichnungen von
1914-1923" im Vorarlberger Landesmuseum in der lokalen Zeitung: "Wie
man berechtigt sein soll in Landschaften, so viel rein seelische
Bewegtheit hineinzupressen, will uns vorderhand gewagt erscheinen."
(Fortsetzung folgt)