VN Sa, 6.4.2002

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Kultur 

Landschaft bei Wacker

Nach der langen erzwungenen Abwesenheit von der Heimat empfand Wacker die vertraute Landschaft und die von Kindheit an gekannten Berge besonders intensiv. Zwar hatte es ihn nach seiner Rückkehr aus der sibirischen Gefangenschaft sogleich in die Kunstmetropole Berlin und in die Gemäldegalerien der Städte gezogen, die Sommer verbrachte er aber stets zu Hause.

Auf Wanderungen und kleinen Reisen in die Heimat seiner Mutter, den Bregenzerwald, und nach Tirol, dem Ursprung seines Vaters, suchte er seine Wurzeln. Im Landschaftserlebnis fand er seine eigene Lebenskraft und seine Zugehörigkeit zum europäischen Kulturkreis bestätigt. Auf zahlreichen Zeichnungen und Gemälden hielt er die markanten topografischen Besonderheiten der Landschaft - Felsen, Bergformationen, Flüsse - und die architektonischen Wahrzeichen der Heimat - Kirchen, Brücken, historische Gebäude - fest. "Tiefes Heimatgefühl in den Bergen. - Vereinfachung. - Sehnsucht dort zu leben u. zu arbeiten. - Neuer Eindruck: die Grazie der Berglandschaft. - Entzücken über die Bauernkultur: Menschen, Tracht, Häuser, Möbel und Hausrat. Doch erlischt rasch die Tradition, das Lebendige dieser Kultur ist nur mehr ein Rest." (Tagebuch, 4. 9. 1921) "In Bichlbach. 2 Tg. in Reutte. Ausflüge nach Stockach, Lähn, Wängle, Lermoos. - Bekanntschaft mit den väterlichen Verwandten. - Neues, verstärktes Bewußtsein: auch ich ein ,Wacker`. - Kraftzuschuss. Tiefer Eindruck von der Landschaft und dem prächtigen Menschenschlag." (Tagebuch, 29. 9. 1921)

Während der Gefangenschaft war seine Sehnsucht nach der Heimat immer stärker geworden. Hier war in ihm auch das Verlangen gewachsen, nach seiner Rückkehr diese Verbundenheit in seinem malerischen Werk auszudrücken. Viele seiner damaligen Tagebuchaufzeichnungen lesen sich wie die Vorwegnahme später gemalter Bilder. "Jetzt fahren wir im Ural. Es ist unaussprechlich welches Entzücken mir der Anblick der Kalkfelsen, der Tannen, der alpenkräftigen Kräuter bereitet, - sah ich doch über ein Jahr nichts als Ebene! - Der Charakter der Landschaft ist unserm heimatlichen Mittelgebirge so ähnlich, dass ich nicht begreifen kann, dass ich nicht irgendwo aussteigen und wieder geliebte Menschen grüße. - Die Birken und Tannen dieser wilden Waldungen erinnern mich mehr als ich©s je daheim sah an die altdeutsche Zeichnung (Altdorfer, Cranach). - Entwurzelte Birken, die für die Komposition sehr brauchbar sind (die weißen Stämme, schräg gelegt, und das hellgrüne Laub, in dem dunkeln Waldhang)." (Tagebuch, 1. 7. 1916) 1922 und 1923 malte und zeichnete Wacker mehrere Fassungen des Blicks auf das "Känzele", eines auffallenden, steilen Felsabbruches am Pfänder, dem Hausberg der Bregenzer. Auf zwei Ölgemälden gibt er in dramatischer Ansicht von unten, in übersteigerter Perspektive diese jäh aufragenden Felsen wieder. Gegen das leuchtende Rotorange der Steinwand stellt er in starkem Kontrast die dunklen Tannen. Das Gemälde, im Besitz der Landeshauptstadt Bregenz, ist gegenüber der anderen Fassung, in Privatbesitz, in der Farbigkeit wesentlich gesteigert, erscheint mit dem abgebildeten Mond und den starken blauen Schatten fast wie eine nächtliche, künstlich ausgeleuchtete Landschaft. Neben den Bergen war der Bodensee das wichtigste Motiv Wackers. Den Lindauer Hafen, mit der markanten Einfahrt zwischen dem steinernen Löwen und dem Leuchtturm, und den direkt am Hafen stehenden spitzen Turm hat er unzählige Male in wilder Bewegtheit gezeichnet. Wackers Bilder und Zeichnungen stießen aufgrund dieser "Deformierungen" der Natur auf Unverständnis und teilweise sogar auf Ablehnung bei den heimischen Kritikern. So schrieb Dr. Wilhelm Wolf, ansonsten ein Förderer und Freund Wackers, anlässlich der Kollektiv-Ausstellung mit Albert Bechtold "Zeichnungen von 1914-1923" im Vorarlberger Landesmuseum in der lokalen Zeitung: "Wie man berechtigt sein soll in Landschaften, so viel rein seelische Bewegtheit hineinzupressen, will uns vorderhand gewagt erscheinen." (Fortsetzung folgt)




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