Quer durch Galerien: Atrium ed Arte, Offspace, Galerie Sur
"Muh" sagt auch die lila Kuh
Von Claudia Aigner
Wer bei den Eidgenossen daheim eingeladen ist, wird sich
nicht wirklich erwarten, dass man nach dem Essen in den Keller geht, um
Löcher in den Käse zu schießen (nach der Devise: "Käse kommt doch immer
zum Schluss"). "Skalpell?" - "Nein, danke. Ich hab ja mein
Schweizermesser." Dass Schweizer Chirurgen angeblich niemals "Skalpell!"
oder "Klemme!" rufen, weil sie ja eh ihr Schweizermesser (das Besteck für
alle Fälle) dabei haben, auch das ist ein Vorurteil, das seine Kompetenzen
eindeutig überschreitet. Trotzdem sucht man in der sympathisch
menschlichen Fotoserie "Schweizer zu Hause" (von Doris Flubacher, bis 19.
Jänner im Atrium ed Arte, Lerchenfelder Straße 31) schon instinktiv in den
Bücherregalen nach Heidi. Umsonst. Na ja, wer ohne Klischee ist, werfe den
ersten Schweizerkracher. Karies fürs Vaterland: Manche Schweizer, die
Flubacher mit ihrer Kamera besucht, bringen ihren Nationalstolz mehr oder
weniger dezent mit ein (durch Schleichwerbung). Da steht dann etwa ein
"Toblerone" herum, und das gehört ja zu den vaterländischen Devotionalien.
Beim patriotischen Satz "Kchnackch dir einen Gipfel ab" bekommt ein
Schweizer in der Fremde bestimmt mindestens so viel Heimweh, wie wenn eine
violette Kuh muht. Stillleben mit Intelligenz: Der Autor Jürg Seiberth
umgibt sich da demonstrativ mit der "Neuen Zürcher Zeitung" und der
"Basler Zeitung" und liest "Der Baum der Erkenntnis". Wahre Originale sind
Doris Flubacher auch zugeflogen. Der "Baron der Gaukler": In seinem
"schwül" eingerichteten Wohnwagen sitzt er da wie in einer anderen Zeit.
Andere Schweizer kauen einfach ihr Essen. Kurz: Die Schweizer sind so
außergewöhnlich und so normal wie wir. Flubacher holt sich den Menschen
und versucht nicht krampfhaft, "den Schweizer" herauszukitzeln. Am 14.
Jänner um 19 Uhr kommt der Mythensammler Sergius Golowin vorbei. Ja,
so etwas wie das "Warten an sich" gibt es. Bis 19. Jänner im Offspace
(Gärtnergasse 1). Ein aufputschend greller Warteraum für ein
selbstgenügsames Ausharren. Adrian N. Schiesser hat die komplette
Infrastruktur aufgebaut, die für ein gesittetes Zeittotschlagen nötig ist
(Plastiksessel, Zeitschriften . . .), und mit Sinnlosigkeit in
verschiedenen Schwierigkeitsgraden angefüllt. Zeitschriften, die zum
Beispiel nur aus den Seiten 15 und 16 bestehen, mit denen man also ganz
konzeptionell die Wartezeit umbringen kann. Und Lautsprecherdurchsagen,
die zwar sofort den Popohüpfreflex oder wenigstens ein Zucken im
Sitzfleisch auslösen (soll heißen: "Bin ich schon dran?"), aber weil nur
"ausländische" Zahlen aufgesagt werden und man nirgends eine Nummer ziehen
kann, ist das Sitzfleisch überfordert. Merkwürdige Schilder: etwa der
"Reißverschluss". Würde man das an öffentlichen Toilettenausgängen
anbringen, würde jeder reflexartig nach unten schauen (weil das Schild ja
nur bedeuten könnte: "Kontrollieren Sie, ob Sie alle Luken dicht gemacht
haben"). Also das perfekte absurde Ambiente, um gegebenenfalls auf Godot
zu warten. Und unglaublich sinnlich. Gibt es einen wilden Stamm von
Kubisten und das sind seine Totempfähle? Nein. Die hingebungsvoll
verspielten "Pfähle" sind hinreißend sinnenfrohe, stramme Kreaturen von
Peter Weihs (bis 18. Jänner in der Galerie Sur, Seilerstätte 7). Voll
Fantasie und Humor wird da mit Geometrie und Anatomie hantiert. Ein rotes
Geschöpf ist mehr als eindeutig ein Männchen. Bis man draufkommt, dass es
hinten auch "so was" hat.
Erschienen am: 11.01.2002 |
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![](00053523-Dateien/kunst.gif)
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