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Wien
Christian Hutzinger in der Kerstin Engholm Galerie
von Maren Lübbke

Christian Hutzinger (*1966) hat in seiner abstrakten Malerei in den letzten Jahren eine Bildsprache entwickelt, die einerseits ein formal strenges Konzept erkennen lässt, mit der er jedoch andererseits ganz individuelle Erfahrungen zu vermitteln sucht.

Ein Element, das in der Malerei von Christian Hutzinger immer wieder auftaucht und das gewissermassen stilprägend für seine Arbeit ist, sind die ‹Kapseln›, die – ohne dass sie einander berühren – im freien Fall den leeren Bildraum hinunterpurzeln. Hutzinger nennt diese Kapseln, die in den letzten Jahren nur minimale Veränderungen in der Form durchlebt haben, ‹Behältnisse für Geschichten›. Es ist erstaunlich, dass diese amorphen, körperlosen Formen, die in keiner räumlichen Ordnung situiert sind, so viel Erzählkraft entwickeln können. Das mag zum einen daran liegen, dass schon allein die Palette der Farben, die Hutzinger für seine Bildarbeit gewählt hat, einen weiten Assoziationsrahmen öffnet. Die ausschliessliche Verwendung von Pastellfarben – eine antiakademische Entscheidung, so Hutzinger – ist gewissermassen stillos, befreit von kunsthistorischen Zuordnungen und setzt andere Dynamiken der Rezeption frei: spielerische Naivität und Unbefangenheit. Damit ist für die Malerei schon mal viel gewonnen.

Zum anderen können die Gemälde von Hutzinger nicht ohne seine Collagen und Insitu-Arbeiten gedacht werden. Denn hier findet noch einmal eine atmosphärische Verdichtung dessen statt, was in den Acrylbildern nur abstrakt angedeutet bleiben kann: Wandmalereien von Hutzinger werden beispielsweise von einem lodernden Kaminfeuer, einem Blumenstrauss, Kinderzeichnungen oder einer Sammlung von getrockneten Blättern begleitet, die sorgfältig im Ausstellungsraum verstreut wurden. Die Zusammenführung von unterschiedlichen Texturen auf einem meist flächig strukturierten Hintergrund und das Anfüllen jener amorphen Formen (Kapseln) mit ausgeschnittenen Motiven in den Collagen trägt zur Lesbarkeit seiner Gemälde bei, denn hier eröffnen sich konkretere Erzählzusammenhänge.

Christian Hutzinger hat seine Ausstellungsvita in den letzten Jahren auch ein Stück weit unabhängig vom ‹professionellen Ausstellungsbetrieb› generiert, indem er beispielsweise kurzfristig die ‹galerie resa hutzinger› gründete und hier temporär seine eigenen Wandarbeiten öffentlich zugänglich machte. Hier zeigt sich unter anderem der Versuch, eine umfassende Verkettung von familiären Zusammenhängen und Erfahrungen sichtbar zu machen und in das eigene Lebenskonzept zu integrieren, denn in jener Wohnung, in der Christian Hutzinger lebt und arbeitet und eben auch ausstellt, lebte einst Resa Hutzinger, die Grossmutter, die hier auch Kinderbücher schrieb. Der Wunsch nach dem Lebendigerhalten von eigenen familiären Erfahrungen, diese stete Erinnerungsarbeit, hat aber auch ihre Schattenseiten. Das zeigen die neuesten Gemälde, die Hutzinger nun zusammen mit einer grossen Wandarbeit und Collagen in seiner ersten grossen Einzelausstellung in der Kerstin Engholm Galerie zeigt. Denn hier tauchen erstmals ‹Störfaktoren› in Form von neuen abstrakten Zeichen auf: Der freie Fall der ‹Geschichtsbehältnisse› ist nicht mehr gesichert.

Bis 21.10.2000

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Ausgabe: 10 / 2000
Ausstellung: ( - )
Institution: K. Engholm Galerie (Wien)
Autor/in: Maren Lübbke
Künstler/in: Christian Hutzinger