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Ein Element, das in der
Malerei von Christian Hutzinger immer wieder auftaucht und das
gewissermassen stilprägend für seine Arbeit ist, sind die ‹Kapseln›, die –
ohne dass sie einander berühren – im freien Fall den leeren Bildraum
hinunterpurzeln. Hutzinger nennt diese Kapseln, die in den letzten Jahren
nur minimale Veränderungen in der Form durchlebt haben, ‹Behältnisse für
Geschichten›. Es ist erstaunlich, dass diese amorphen, körperlosen Formen,
die in keiner räumlichen Ordnung situiert sind, so viel Erzählkraft
entwickeln können. Das mag zum einen daran liegen, dass schon allein die
Palette der Farben, die Hutzinger für seine Bildarbeit gewählt hat, einen
weiten Assoziationsrahmen öffnet. Die ausschliessliche Verwendung von
Pastellfarben – eine antiakademische Entscheidung, so Hutzinger – ist
gewissermassen stillos, befreit von kunsthistorischen Zuordnungen und
setzt andere Dynamiken der Rezeption frei: spielerische Naivität und
Unbefangenheit. Damit ist für die Malerei schon mal viel
gewonnen.
Zum anderen können die Gemälde von Hutzinger nicht ohne
seine Collagen und Insitu-Arbeiten gedacht werden. Denn hier findet noch
einmal eine atmosphärische Verdichtung dessen statt, was in den
Acrylbildern nur abstrakt angedeutet bleiben kann: Wandmalereien von
Hutzinger werden beispielsweise von einem lodernden Kaminfeuer, einem
Blumenstrauss, Kinderzeichnungen oder einer Sammlung von getrockneten
Blättern begleitet, die sorgfältig im Ausstellungsraum verstreut wurden.
Die Zusammenführung von unterschiedlichen Texturen auf einem meist flächig
strukturierten Hintergrund und das Anfüllen jener amorphen Formen
(Kapseln) mit ausgeschnittenen Motiven in den Collagen trägt zur
Lesbarkeit seiner Gemälde bei, denn hier eröffnen sich konkretere
Erzählzusammenhänge.
Christian Hutzinger hat seine Ausstellungsvita
in den letzten Jahren auch ein Stück weit unabhängig vom ‹professionellen
Ausstellungsbetrieb› generiert, indem er beispielsweise kurzfristig die
‹galerie resa hutzinger› gründete und hier temporär seine eigenen
Wandarbeiten öffentlich zugänglich machte. Hier zeigt sich unter anderem
der Versuch, eine umfassende Verkettung von familiären Zusammenhängen und
Erfahrungen sichtbar zu machen und in das eigene Lebenskonzept zu
integrieren, denn in jener Wohnung, in der Christian Hutzinger lebt und
arbeitet und eben auch ausstellt, lebte einst Resa Hutzinger, die
Grossmutter, die hier auch Kinderbücher schrieb. Der Wunsch nach dem
Lebendigerhalten von eigenen familiären Erfahrungen, diese stete
Erinnerungsarbeit, hat aber auch ihre Schattenseiten. Das zeigen die
neuesten Gemälde, die Hutzinger nun zusammen mit einer grossen Wandarbeit
und Collagen in seiner ersten grossen Einzelausstellung in der Kerstin
Engholm Galerie zeigt. Denn hier tauchen erstmals ‹Störfaktoren› in Form
von neuen abstrakten Zeichen auf: Der freie Fall der
‹Geschichtsbehältnisse› ist nicht mehr gesichert.
Bis 21.10.2000
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