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06.12.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
"Ich hasse die Regierung von George Bush!"
Cindy Sherman, mit einer Retrospektive in Bregenz zu sehen, über den US-Präsidenten und ihren Status als Ikone feministischer Kunst.

Die Presse: Mit Ihren vor allem weibliche Klischees dechiffrierenden Rollenspielen und Selbstporträts gelten Sie als eine der einflussreichsten zeitgenössischen Künstlerinnen. Auch die Wienerin Elke Krystufek nannte Sie einmal als eine Art Vorbild. Kennen Sie sie?

Cindy Sherman: (fast erschrocken) Nein, ich muss sie sofort im Internet suchen!

Sie sind nicht sehr oft in Österreich, oder?

Sherman: Das letzte Mal war ich hier vor etwa 25 Jahren, in Graz bei einem Seminar von "Camera Austria". Aber ich besitze eine Fotoarbeit von Valie Export, wo sie ihren Körper in die Landschaft eingespannt hat.

Eine eindeutig feministisch orientierte Künstlerin. Sie selbst mögen das F-Label angeblich ja nicht besonders. Warum nicht?

Sherman: Nicht, dass ich das Wort nicht mag! Feminismus hat mich aber nie direkt inspiriert. Eher konnte man ihn nicht umgehen, er war, wie bei allen in meinem Alter, in den frühen 70er-Jahren im Hinterkopf immer präsent. Meine Kunst ist also eher organisch passiert, war keine bewusste Entscheidung.

In Europa ist gerade eine Tendenz zurück zur traditionellen Frauenrolle zu spüren. Wie nehmen Sie das in den USA wahr?

Sherman: Gut ist, dass Frauen heute wählen können zwischen Kindern und Karriere. Wenn das allerdings als Gegenreaktion zum Feminismus getan wird, wäre das natürlich schlecht. In den USA scheinen im Moment viele Frauen ihre Karriere zu Gunsten der Kinder aufzugeben. Ob das nur ein temporärer Zug ist, wird sich zeigen.

Viele Künstler in New York haben immer wieder offensiv gegen die George-Bush-Regierung Stellung bezogen. Wie ist das bei Ihnen?

Sherman: Ich hasse diese Regierung! Sie hat schreckliche Fehler zu verantworten. Aber in meiner Kunst kommt das nicht vor, und ich gehe auch nicht protestieren. Ich möchte keine Posters machen, und meine Kunst soll auch in 20 Jahren noch verstanden werden, ohne Bush dafür kennen zu müssen.

Sie waren eine der Künstlerinnen, die Fotografie salonfähig machte in der Kunst und am Markt. Jetzt ist wieder Malerei besonders gefragt. Sehen Sie da eine Konkurrenz?

Sherman: Nein. Fotografie ist immer noch eine harte Ware am Markt. Nur die Preise sind lächerlich hoch im Moment.

Ihre eigenen aber auch . . .

Sherman: Ja, trotzdem scheint es da immer noch zwei Standards zu geben - die Werke meiner männlichen Kollegen sind um ein Vielfaches teurer als die der Frauen. Obwohl in den 70er-Jahren viele die Fotografie gewählt haben, weil dieses Gebiet noch nicht so von den Männern dominiert war. Aber am Markt verdienen die paar Männer, die es gibt, um ein Vielfaches mehr.

Ihre letzte Serie, die Clowns, entstand 2003. Das sieht nach einer recht langen Schaffenspause aus. Was kommt als Nächstes? Etwa wieder ein Kinofilm wie "Office Killer" (1997)?

Sherman: Ich übersiedle gerade mein Studio in New York, das braucht meine ganze Zeit. Einen Kinofilm würde ich aber auch gerne wieder machen, vielleicht so in fünf Jahren. Nur Idee dazu habe ich noch keine. sp

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