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derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
24. Jänner 2006
19:16 MEZ
Secession bis 19. 2.

Neue Galerie Graz bis 26. 2. 
Nach Fertigstellung immer falsch
Zum 75. Geburtstag widmet die Wiener Secession Oswald Oberhuber eine Retrospektive

Der legendäre Rektor der Angewandten zeigt im unverbauten Hauptraum, dass historische und rezente Arbeiten durchaus gleich frisch erscheinen können.

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Wien - Der "Ossi" packt aus und begnügt sich mit ein paar simplen Sockellösungen, um seine Arbeit im Hauptraum der Wiener Secession auf die angemessene Höhe zu bringen. 75 ist er jetzt und geht die Sache mit dem Jubiläum höchst gelassen an, braucht keine Einbauten, um sein uvre vor der Kraft des Jugendstiljuwels zu schützen, greift zu keinen Verdunkelungsmaßnahmen, um seine Werke theatralisch ins rechte Licht zu rücken, muss nicht eine Wand niederreißen, um zu markieren, wie autonom so ein Künstler ist.

75 ist er jetzt und voller Vertrauen in sein Werk, sitzt einfach da, sagt, was wo hingehört, und freut sich auf die Frage nach der Entstehungszeit der unbekannteren unter den ausgestellten Arbeiten: "Die sind neu!", sagt er dann - und freut sich, dass die Frischlinge beeindrucken. Die Frischlinge, das sind fröhlich bunte Objektassemblagen, jede für sich eine Fingerübung, ein Kabinettstück, ein Beweis dafür, dass aus den Klötzen des Modernebaukastens immer noch eine Kombination rauszuholen, dem Standardvokabular immer noch ein gutes Stück abzuringen ist.

Ganz ohne Pädagogik macht der Oberhuber das, ganz ohne den Lehrer oder gar Altmeister raushängen zu lassen. Pädagogik war dem wohl wichtigsten Rektor einer österreichischen Kunsthochschule immer schon ein Gräuel, was zählte, war immer "permanente Veränderung", sei es als Künstler, Kurator, Publizist oder eben als erster "Kunsthochschulmanager" des Landes. 1979 hat Oswald Oberhuber sein Amt angetreten. Aus den vorgesehenen vier wurden dann zwölf Jahre, in denen aus der ehemaligen k. u. k. Kunstgewerbeschule die Angewandte wurde, ein Durchlauferhitzer, ein Ort, an dem das Künstlersein erprobt werden konnte, an dem sich endlich auch an internationalen Gästen reiben ließ, von dem nicht zuletzt auch eine Aufarbeitung verlorener Generationen an österreichischen Künstlern ausging.

Der Ruf der Angewandten ist untrennbar mit dem "Ossi" verbunden. Sein eigenes Schaffen war lange durchaus überschattet vom Kunstmanagen. Und also ist es durchaus angebracht, dass der Oberhuber altes wie neues in der Secession so präsentiert, als hätte es eine Grabung zutage gefördert.

Jedenfalls falsch

Die Palette neuer Objekte hält sich mit einer Plattform für "historische" Findungen zwischen informeller Plastik, surrealem Witz, Verballhornungsspielen und Kommentaren zu Verfall und Wertschätzung die Waage; die in den Siebzigerjahren skandalisierte Röhrenplastik steht in keinerlei Widerspruch zu den Schriftbildern, zu den Selbstporträts oder den Porträts anderer. Und die ganz frischen Bilder, die Babys mit den geballten Fäusten etwa, die Spielkarten gleich zum fortdauernd vergnüglichen Unterminieren auffordern, sind heute mindestens so brauchbar, wie sie schon vorgestern denkbar gewesen wären. Und die dutzenden alten Plakate im Grafischen Kabinett der Secession zeigen immer noch ganz aktuell, was plakativ ist. Sie sind aus einer Notwendigkeit heraus entstanden, mit dem, was zur Verfügung stand, auch ordentlich aufzufallen: die Oberhuber'sche Biografie weiß immerhin 150 Ausstellungen, Symposien, Theaterstücke und auch Sportereignisse zu verzeichnen, für die es auf der jeweiligen Höhe der Zeit zu werben galt. Und bei der Menge ist es schon einfacher, etwas vorzugeben, als sich dauernd dem Zeitgeist anzupassen.

Wie meint der Oberhuber schon lange: "Ich habe vor Rezepten gewarnt und habe dazu gesagt: Der größte Irrtum geschieht, wenn man Dogmen erarbeitet, Bestimmungen, Rezepte verpasst und glaubt, damit eine Lösung gefunden zu haben. Jede Lösung, jede fertige Auffassung ist nach Fertigstellung auf jeden Fall falsch und sofort wieder in anderer Weise zu lösen."

Parallel zur "Retrospektive" in der Wiener Secession zeigt die Neue Galerie Graz Oswald-Oberhuber-Werke aus ihrer Sammlung. (Markus Mittringer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25. 1. 2006)


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