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07.09.2005 - Kultur&Medien / Kommentare | ||||
Replik: Protest gegen plumpe Zensur | ||||
VON GERHARD RUISS | ||||
Die insgesamt traurigen bis halblustigen Veranstaltungen
des heurigen "Gedankenjahres" sind an einem neuen Tiefpunkt angekommen:
Ein Beitrag von Franz Schuh mit dem Titel "Die nicht gestörten Kreise -
Ein Lehrstück" störte ebendiese Kreise offensichtlich so sehr, dass der
Beitrag nicht wie vorgesehen im Ausstellungskatalog der Ausstellung die
"Physiognomie der Zweiten Republik" erscheinen konnte. Zwar ging es
angeblich nur um eine Passage, in der einer der Mitinitiatoren der
Jubiläumsschau im Belvedere, Peter Weiser, in keinem besonders guten Licht
dagestanden wäre. Sicherheitshalber hat man es aber erst gar nicht darauf
ankommen lassen, sich davon das Wunschbild des Aussehens der Zweiten
Republik verunzieren zu lassen, und hat den ganzen Beitrag nach einem vom
Verlag bzw. Herausgeber initiierten Vorabdruck wieder aus dem Katalog
entfernt. Es ist beschämend und lächerlich zugleich, wie und
wodurch Veranstalter staatstragender Jubliläumsfeierlichkeiten glauben,
das Zeitgeschichtsbild Österreichs zeichnen zu können bzw. zeichnen zu
müssen. Was sie damit erreichen, ist das genaue Gegenteil des Behaupteten.
Es soll nichts gezeigt, es soll etwas versteckt werden, es wird nichts zum
Vorschein gebracht, es soll etwas verborgen bleiben. Gelingen kann das mit einem Beitrag auf dem
intellektuellen Niveau des österreichischen Ausnahme-Essayisten Franz
Schuh sicherlich nicht, dessen Beiträge immer noch Gültigkeit haben
werden, wenn kein Mensch mehr glauben wird, dass jemand mit einer so
lächerlichen Aktion versucht haben könnte, einen der erhellendsten
Beiträge zum "Gedankenjahr 2005" unterbinden zu können. Die IG Autorinnen Autoren protestiert mit Nachdruck gegen
diese plumpe Zensur eines angeblich im öffentlichen Interesse handelnden
Veranstalters. Sie hält es, anders als die Herausgeber des Katalogs, für
keinen Akt der Courage, eine solche Ausstellung "durchzubringen und zu
finanzieren", sie hält es vielmehr für eine Selbstverständlichkeit,
anlässlich von Jubiläen nachzufragen, wie die Verhältnisse waren und, wie
es jetzt aussieht, offenbar geblieben sind. Wir fordern die Veranstalter dazu auf, den eliminierten
Beitrag faksimiliert zu einem ungekürzten, unzensurierten
Ausstellungsbeitrag zu machen und ihn auf diese Weise nachträglich wieder
in den Ausstellungskatalog aufzunehmen.
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