Bis 23. Jänner
Für Furuya, der Anfang der 70er-Jahre von Japan über Russland nach Europa kam und zu einem der wichtigsten Fotografen Österreichs wurde, scheint Fotografieren eine Art erforschender Kommunikation zu sein. Und ein Versuch, über diese fortwährende Arbeit Möglichkeiten der Narration zu erzeugen. Es gibt so etwas wie einen fast tagebuchartigen Notizcharakter seines Werks. Ein Befragen von Gesehenem, das gleichzeitig eine Art der Selbstbefragung ist.
Seit Beginn seiner fotografischen Tätigkeit ist daraus in seiner Gesamtheit ein wohl auch für ihn mittlerweile fast unüberblickbares Archiv visueller Aufzeichnungen geworden. Seine persönliche Geschichte ist deshalb in der Ausstellung den Eckpunkten der permanenten Ortsveränderung nach nachvollziehbar.
Die Arbeiten dokumentieren diese Ortsveränderungen auch. Etwa, dass er 1970 noch als Architekturstudent zu fotografieren begann und dabei Eindrücke bannt, die zeigen, wie die japanische Tradition und die US-Besatzer-Zivilisation einander gegenüberstehen. 1980 entstanden in Amsterdam Fotos im urbanen Gedränge, sie sind im wahrsten Sinne des Wortes "aus der Hüfte geschossen". Stationen wie Graz, Wien, Tokio sind nachvollziehbar. Oder dass er ab 1984 in Ostberlin als Übersetzer für ein japanisches Unternehmen tätig war. Zu sehen sind zudem Bilder über seine Frau Christine Furuya-Gössler, deren Depression im Selbstmord mündete.
Die Fotos sind auch Dokumente von sich stetig ändernden Kulturräumen. Biografisches und Dokumentarisches gehen ineinander über. Aber das Autobiografische ist nur einer der Subtexte, die hier eine Rolle spielen. Vielmehr geht es um einen mit fotografischen Mitteln definierten offenen Raum. Die Bilder haben dabei keinen eindeutig fixen Ort, sind offene Systeme, disponibles visuelles Material.
Grenzerfahrungen
Natürlich gibt es so etwas wie Themenbereiche, unter denen sich Arbeiten subsumieren lassen. Manches wird dabei zum Fotoessay. In Staatsgrenze (1981-1983) dokumentiert er die österreichische Staatsgrenze zu Ungarn, zur ehemaligen Tschechoslowakei und zum ehemaligen Jugoslawien. Grenze ist aber auch ein Thema bei Arbeiten zur Berliner Mauer.
Dokumentarische Genauigkeit verbindet sich hier insgesamt mit einem fragenden Blick und einer elementaren Genauigkeit. Ordnungen stellen sich her, lösen sich aber gleichzeitig wieder auf. Auch deshalb sind Aufnahmen unterschiedlicher Orte miteinander kombinierbar. Und dennoch entsteht genau auf diese Weise so etwas wie eine sich immer wieder verflüssigende und auf neue Art zusammensetzende Ganzheit. Man könnte fast sagen: Gesehenes ist Fotografiertes ist Bearbeitetes und Kombinierbares. Dies zu zeigen ist eine große Qualität der Ausstellung.
Erschienen ist soeben auch die neue Ausgabe der Zeitschrift Camera Austria, die Nummer 88. "Wir haben unsere Zeitschrift immer auch als Forum begriffen, jenseits bzw. über medienimmanente Fragen hinaus, über einen theoretischen Zugang, den sozialen Gebrauch von fotografischen Bildern zu reflektieren", schreibt Herausgeberin Christine Frisinghelli im Vorwort.
Diesmal passiert dies anhand der Positionen von Markus Schinwald, Aleksandra
Mir und Carlos Aires, die in monografischen Beiträgen vorgestellt werden. Es
passiert aber auch etwa über Tom Holerts vierteilige Essayreihe
"Massenmedien-Akte: Über visuelle Programmierungen des politischen Raumes",
deren erster Beitrag hier abgedruckt ist.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe,
31.12.2004/ 1./2.1.2005)