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Drucken 25.11.2003   11:02 Uhr

Ausstellung in Wien

Masturbieren zur Bundeshymne

Einst trug er den Titel: „Meistgehasster Österreicher“ wie eine Auszeichnung. Nun wird er offiziell in Wien geehrt: Dem Aktionskünstler Günter Brus ist in der Albertina eine umfangreiche Werkschau gewidmet.
HELMUT SCHÖDEL

 
 

Günter Brus, Aktion „Selbstbemalung I“, 1964,
Atelier John Sailer, Wien
Foto: L. Hoffenreich
© Günter Brus

 

Als Günter Brus bei der Eröffnung seiner Ausstellung „Werkumkreisung“ in der Wiener Albertina gefragt wurde, ob er etwas sagen wolle, sagte er nichts. Das hieß wohl: Ich bin nicht der Esel, ich bin der Bürgermeister von Wesel. Brus steht für ein Werk wie ein Schrei aus einer rätselvollen, grausamen und wahnhaften Welt – und nicht für dessen Echo. Außerdem begann Brus in einer Zeit erst berüchtigt und dann berühmt zu werden, als man den Werkbegriff demontieren wollte und der Verstehsucht der Exegeten den Boden entzog. Die Avantgarde war gegen ihre Auslegung konzipiert: Es ging um einen Weg, dessen Ziel auf keinen Fall die Albertina war. Gerade deshalb wurde Brus jetzt zu seinem 65. Geburtstag in Wiens Bildertempel zu Recht geehrt. Ein unscheinbarer, schmaler älterer Herr, den die Medien Ende der sechziger Jahre zum „meistgehassten Österreicher“ erklärt hatten.



» Schmerz gebündelt, Seele nackt! «

Um das Protestjahr 1968, als in Deutschland die Studenten revoltierten, schockten Wien die Aktionisten. Sie hießen Otto Mühl, Hermann Nitsch, Rudolf Schwarzkogler oder Günter Brus, der schon drei Jahre vorher zu seinem „Wiener Spaziergang“ aufgebrochen war: Gesicht, Hände, Kleidung weiß bepinselt, dazu von Kopf bis Fuß ein schwarzer Strich, als wäre der Mann aus zwei Teilen zusammengenäht. Der Maler hatte sich von der Leinwand gelöst, und der Körper des Künstlers wurde selbst zum Thema. Außerdem hatte die Kunst die Galerie verlassen – und damit die Wiener Polizei alarmiert.


Bei der berüchtigten „Uniaktion“ kam es ‘68 vollends zum Eklat, als Brus eine weitere „Körperanalyse“ durchführte. Er schnitt sich im Hörsaal 1 der Wiener Uni in Brust und Oberschenkel, urinierte, defäkierte und sang onanierend die Bundeshymne. So zog er sich den Hass der Österreicher zu, wurde verhaftet, zu sechs Monaten „schweren Arrests“ verurteilt und floh nach Westberlin, wo er (zusammen mit Gerhard Rühm und Oswald Wiener) als Protest gegen die Repressionen eine „österreichische Exilregierung“ gründete, deren publizistisches Organ, die Zeitschrift „Die Schasdrommel“, zum Forum der österreichischen „Exilavantgarde“ wurde.




» Ich fühle mich als ein Traumfleisch, das durch sein Nachthemd schritt. «

Obwohl Brus seine „Körperanalysen“ bereits mit Ende der sechziger Jahre abschloss, sah man in ihm weiterhin den Wiener Aktionisten und Bürgerschreck aus der Steiermark. Andererseits wurde, was er später zeichnete und schrieb, eher als Raffinesse gehandelt. Brus’ Kunst war aufs Papier zurückgekehrt, auf einmal bunt, artistisch und witzig. Er hatte die Methode verändert, aber nicht sich selber. Brus war als Provokateur ein Künstler und blieb als Künstler ein Provokateur. Das zeigt die Ausstellung in der Albertina, die um ein umfassendes Bild von Günter Brus bemüht ist.


An die Zeit des Aktionismus wird mit Zeichnungen und großformatigen Fotografien der Aktionen erinnert. In einer Kinokoje am Ende der Ausstellung sieht man, komponiert von Günter Brus und Peter Kasperak, Filmematerial aus der Aktionszeit. Da steht dann: „Strangulation 68“, und schon kriecht der Körper des Künstlers nackt über den Boden eines kahlen Gangs auf eine weiße Tür zu, an der er sich kopfunter befestigen wird. Anders als bei den Fotografien fällt es einem bisweilen schwer, dem tiefen Ernst und hohen Pathos der dokumentierten Szenen zu folgen: Schmerz gebündelt, Seele nackt! Manches sieht heute aus wie das 68er-Trainingsprogramm für den Märtyrer zu Hause. Aber damals war vieles komisch verbiestert, die Roten Zellen genauso wie die weißen Männer.


Mit dem Ende der Aktionen begann die bunte Märchenwelt der „Bild-Dichtungen“, ein Weg zurück zur Fantasie. Farbenfrohe Kreidezeichnungen, fantastische Motive. Alles nach dem Brus’schen Motto „Realität war schon vor dem Urknall antiquiert“. Es ist jetzt nicht mehr der Körper des Künstlers, sondern seine Sprache, die wichtig wird: Erst getippte, später handschriftliche Texte neben, unter, über den Bildern, die oft märchenhaft grausam sind. Auch in den Bild-Dichtungen fehlt es nicht an Sex, Wut, Blut und Folter, verstärkt durch das Gedankengewimmel der Spontanprosa, die sich bisweilen zum Lyrischen aufschwingt. Da liest man in roten Versalien: „Meine Jahre werden alt und ich leibe mit. Ich fühle mich als ein Traumfleisch, das durch sein Nachthemd schritt. Euphemia, ich liebe dich.“ Hört sich an wie das erste Wetterleuchten eines beginnenden Altersfrohsinns.


Aber Brus ist immer ein Mensch in Aktion geblieben. „Unsere Aufgabe heißt, uns zu erfinden. Bis jetzt waren wir nicht“, schreibt Brus, der mit seinen Bildern nach dem „verdrängten Stampfen, Schreien und Pfauchen“ der Existenz sucht. „Physisch sichtbar werden“ soll es im Körper des Bildes des Künstlers.


Die Ausstellung in der Albertina ist nicht nur eine gelungene Werkumkreisung, sondern nebenbei ein Stück österreichische Vergangenheitsbewältigung. Selbst die Kronenzeitung, einst führend im Kampf gegen das „Uniferkel“ findet Brus nun „zu Recht international berühmt“. Jetzt ist alles Geschichte: die Aktionen, die Bilder und der Zoff. Man ist stolz auf den weit über die Grenzen hinausreichenden Ruhm eines großen Künstlers. Das ist das Internationale an Österreich.



Bis 8. Februar 2004. Der Katalog (Buchhandlung Walther König) kostet 29 Euro.



SZ v. 25.11.2003



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