Am Ball bleiben

"Diagonale"-Intendantin Christine Dollhofer über das weibliche Filmwunder in Österreich, über Wegbereiterinnen und Fallstricke.


Christine Dollhofer leitet mit Constantin Wulff seit 1997 das Filmfestival Diagonale, das heuer am 24. März in Graz startet.

Dollhofer ist eine prononcierte Kennerin der österreichischen Filmlandschaft und saß am Podium der Diskussionsveranstaltung "Was alles nötig ist, um Filme von Frauen in die Öffentlichkeit zu bringen", die am Freitag im Filmhaus Wien stattfand.

Frage: In den Genuss der Förderung 2002 des "filmfonds wien" kommt nur eine Frau. Es ist dies Jessica Hausner mit ihrer Produktionsfirma Coop 99 für Hausners Drama "Es waren zwei Königskinder". Wie schwer ist es für junge weibliche Filmschaffende, an Geld heranzukommen?

Christine Dollhofer: Das kann ich jetzt nicht überprüfen, aber sicher ist, dass neben der Wiener Filmförderung auch Gelder vom Österreichischen Filminstitut, von den Landesfilmförderungen sowie von der Kunstsektion im Bundeskanzleramt an Drehbuchautorinnen und Regisseurinnen vergeben wurden. Hausner kommt, wie Barbara Albert, deren neuer Kinofilm "Böse Zellen" kurz vor der Fertigstellung ist, aus der Filmakademie. Dort gab es eine starke Gruppe von Filmfrauen, wie Barbara Albert, Valeska Griesebach, Kathrin Resetarits, Nina Kusturica, Ruth Mader u.a.

Barbara Albert, Jessica Hausner, Antonin Svoboda und Martin Gschlacht haben dann die Produktionsfirma Coop 99 gegründet, um ihre Projekte eigenständig realisieren zu können. Diesem Beispiel folgten auch andere Jungproduzentinnen und -produzenten wie z.B. die Produktionsfirma "Amour fou" von Gabriele Kranzlbinder und Alexander Ivanceanu. Die Fördertöpfe stehen allen zur Verfügung. Eine geschlechtsspezifische Trefferquote hier auszumachen ist schwierig. Erfahrungsgemäß werden aber weniger Filmprojekte von Frauen eingereicht. Das spiegelt sich folglich in den Ergebnissen auch wieder.

Frage: Es gab ja in Österreich vor kurzem ein kleines "Filmwunder". Barbara Gräftner erhielt für Mein Russland den Max Ophüls Preis 2002. Sabine Derflinger bekam für ihren Streifen "Vollgas" den Förderpreis des Festivals. Was waren die Vorraussetzungen für das Durchstarten der Österreicherinnen?

Christine Dollhofer: Man kann das nicht spezifisch festmachen. Das kann aus einem Humus heraus entstehen, wie eben jenem starken Jahrgang an der Filmakademie. Themen, wie Geschichten von Frauen, hat es so im österreichischen Film bis dato kaum gegeben. Identifikationsfiguren für Rezipientinnen wurden verstärkt in Szene gesetzt. Tatsache ist, dass im internationalen Kino weltweit weniger interessante Frauen- als Männerrollen zu finden sind.

Es existierte also ein Vakuum, das erfolgreich mit Frauenthemen gefüllt wurde. Wieso gab es keine Geschichten über Supermarkt-Kassiererinnen, Aida-Kellnerinnen oder Krankenschwestern aus Ex-Jugoslawien? Das sind gesellschaftliche Phänomene, die von Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen - aber auch z.T. von ihren männlichen Kollegen - in unterschiedlicher Weise aufgegriffen wurden.

Frage: Es waren also vornehmlich junge Regisseurinnen, die dieses Interesse geweckt haben.

Christine Dollhofer: Das ist natürlich auch eine Generationsfrage. Es sind die Töchter der 68-Mütter, die in diesem Geiste erzogen wurden. Es geht dabei weniger um feministische Fragen, sondern um eine Generation von Frauen, die sich wie selbstverständlich Dinge angeeignet haben. Es ist in der Regel so, je größer die Budgetmittel sind, umso weniger wird man Frauen als Regisseurinnen finden. Es gibt z.B. kaum Frauen, die Regie für TV-Spielfilme führen. Aber auch größere Kinospielfilme sind mehrheitlich unter männlicher Regie entstanden. Je kleiner hingegen die Produktionen und deren Mittel sind, Video- und Experimentalfilm und Kurzfilme zum Beispiel, desto größer ist der Anteil von Frauen.

Es ist eine Frage des langen Atems. Frauen müssen sich für das harte Business den Rücken freihalten. Aber Frauen leben oft in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen. Sie bekommen vielleicht Kinder, sind Alleinerzieherinnen und können nicht mit derselben Energie ihre Projekte durchkämpfen. Grundsätzlich denke ich aber, ist es für Frauen leichter geworden, ihren Weg als Regisseurinnen zu schaffen.

Frage: Wie ist die Situation bei Drehbuchautorinnen?

Christine Dollhofer: Es gibt vermehrt Autorinnen. Das ist erfreulich. Sehr viele junge Frauen sind viel selbstbewusster im Erlernen dieses Handwerks.

Frage: Ist der interne Austausch von Ideen bei Frauen besser als bei männlichen Regisseuren?

Christine Dollhofer: Vorreiterinnen waren die österreichischen Filmfrauen um Käthe Kratz, Kitty Kino und Susanne Zanke. Die haben in den 80er Jahren wichtige Arbeit geleistet. Das ist auch eine Generationenfrage. Ich glaube, dass die jetzige Generation auf die Frauenbewegung aufbauen kann. Jetzt ist das für junge Frauen oft kein Thema mehr. Eher wird es als unnötiger Diskurs gewertet, weil diese Errungenschaften mittlerweile selbstverständlich für sie sind. Netzwerke im kleinen Kreis existieren aber sicher.

Frage: Wie wird weiterer Erfolg für diese jungen Regisseurinnen möglich?

Christine Dollhofer: Da gibt es kein Erfolgrezept, außer: die bestehenden Netzwerke sowie Aus- und Weiterbildungsangebote - vor allem auf europäischer Ebene - zu nutzen. Darüber hinaus gibt es diverse Interessensvertretungen, die sich für Filmschaffende einsetzen. Und natürlich Frauenfilmfestivals. Aber es gibt kaum Regisseurinnen, die auf eine bestimmte weibliche Ästhetik oder einen weiblichen Blick reduziert werden möchten. Die wollen gute Filme machen und diese sollen wahrgenommen werden. Und das bei gleicher Qualifikation. Und die Qualität ist zweifelsohne da.

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