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Berlin
2. Berlin Biennale in Kunst-Werke, im Postfuhramt, unter der Jannowitzbrücke und in den Allianz Treptowers
von Peter Herbstreuth

Die 2. Berlin Biennale zeige, was im Moment im Trend liege, sagte die Kuratorin Saskia Bos. Wichtig sei der Werkstattcharakter. Um dieses Labor mit 48 Künstlern aus 31 Ländern zum Klingen zu bringen, verzichtete sie auf eine konzeptuelle Leitlinie, beschränkte sich auf die Stichworte ‹connectedness, contribution, emphathy› und nannte die Polyphonie nach einem Satz von Alicia Framis ‹Not effect – affect›.

Da grosse Kunst meist nicht von wohlmeinenden und netten Leuten, sondern von Sonderlingen entsteht, ist das neue Lied, das Saskia Bos anstimmen möchte, ein spätromantisches ‹Du sollst dein Leben ändern›, ohne aber die imaginative Kraft und formale Strenge, die den Effekt überhaupt erst zum Affekt machen würde, ins Kalkül zu ziehen. Während der Eröffnungstage spielten solche Einwände keine Rolle. Wie kein Kunstereignis zuvor hatte die 2. Berlin Biennale im Vorfeld eine soziale Kraft entwickelt, die sich im Reigen der Voreröffnungen und Parallelveranstaltungen entlud. Allein diese produktive Eigenschaft sichert die Geldgeber für die nächste Biennale. Aber nach der Eröffnung zählt nun die Ausstellung: eine Ansammlung kleiner Merkwürdigkeiten hier und da.

Im Postfuhramt blenden Videozimmer das heruntergekommene Interieur ins Dunkel. Bei der 1. Biennale 1998 blieb hier vor allem der Kuppelsaal in Erinnerung, in dem Tobias Rehberger eine Kaskade frischer Blumen in handgefertigte Vasen stellte und Olafur Eliasson einen Propeller kreisen liess. Nun teilen sich Ayse Erkmen und Alicia Framis dieses Zentrum. Ihre Beiträge sind für sich genommen triftig, doch ohne Verbindung: Erkmen projeziert Ideogramme für ‹Stop› und ‹Go› der E-Mail-Übermittlung Eudora in das Mittelmedaillon. Framis stellt ein Gehäuse ‹Nur für Frauen› auf. Jonathan Monk hat aus der stillen Devise ‹kleine Beiträge› ein gewitztes Meisterwerk gemacht. Er filmte ein Buch mit Werken Gerhard Richters und ein weiteres mit Werken Sol LeWitts mit Super-8 ab und projizierte sie als Endlosschleife in Postkartenformat auf die Wand. Je länger die Ausstellung dauert, desto zerschlissener erscheinen die Werke: eine symbolische Auslöschung. Doch Monk ist eine Ausnahme.

In den weissen Hallen der Kunst-Werke fallen die Defizite grell ins Auge. Zwei grosse Künstler der jüngeren Generation, Henrik Håkansson und Dan Peterman, bekamen nur ein kleines Plätzchen zugewiesen. So stellte Peterman, der ästhetische, wirtschaftliche, ökologische und sozialgemeinschaftliche Aspekte in seinem Werk zusammenbringt und in jeder Hinsicht den Stichworten der Kuratorin Präsenz und Sichtbarkeit hätte geben können, neben zarten Landschaftsgemälden von Qui Shihua, einem prägnanten Doppelvideo fliessenden Wassers von Fiona Tan, Fotos von Hinterköpfen von Rosangela Rennó und Wüstenpflanzen auf Telefondrähten von Håkansson eine kleine Pasta-Küche in den zentralen Oberlichtsaal. Sie wirkt verwaist und steht unverbunden im Raum wie eine drop sculpture. Zwei Etagen höher kann man sich nach Anleitung von Surasi Kusolwong massieren lassen. Was will die Kuratorin mit dem Allerlei? Der Rahmen war gross, doch alles zu klein gedacht. Sie zitiert Baudelaire. Ihr ginge es um ‹luxe, calme et volupté›. Leider gewinnt man keine Ahnung von der Schönheit erster Ordnung, zu der manche Künstler bereit wären, würde man sie nur lassen.

Bis 20.6.2001

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Ausgabe: 06 / 2001
Ausstellung: 2. berlin biennale/Internationale Kunstausstellung (20.04.2001 - 20.06.2001)
Institution: Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst (Berlin)
Autor/in: Peter Herbstreuth
Künstler/in: Olafur Eliasson , Ayse Erkmen , Alicia Framis , Jonathan Monk , Henrik Håkansson , Dan Peterman