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Elisabeth Leopold: „Ich führe sein Werk fort.“

16.09.2010 | 18:33 |  (Die Presse)

Rudolf Leopolds Witwe Elisabeth verlangt mehr Geld für das Museum und zeigt demnächst eine Moderne-Ausstellung. Im Vergleich zu anderen Häusern sieht sie eine Ungleichbehandlung.

„Die Presse“: Wie geht es weiter mit dem Leopold Museum? Wer wird Direktor? Es ist nicht genug Geld da für diesen Posten?

Elisabeth Leopold: Unser Programm bis 2014 steht fest. Es ist momentan nicht das Ziel, unter Zeitdruck, um jeden Preis schnell einen museologischen Direktor aus dem Hut zu zaubern. Ich setze den Weg meines Mannes fort. Wir haben den kaufmännischen Direktor, Peter Weinhäupl, und einen Stab wunderbarer Mitarbeiter. Ich glaube aber schon, dass es im Hinblick auf die Zukunft des Hauses wichtig ist, einen fähigen Mann zu finden, der in der Jahrhundertwende sattelfest ist und über diese Zeit publiziert hat. Denn ewig werde ich nicht leben. Mein Mann ist gestorben, und ich habe Sehnsucht nach ihm. Ich weiß aber auch, dass es meine Aufgabe ist, sein Werk so fortzuführen, wie er das gemacht hat.

Wie steht es um die Finanzen? Kommen Sie mit den Subventionen halbwegs durch?

Leopold: Nein. Wir können glücklicherweise 50 Prozent unserer Unkosten selbst erwirtschaften. Aber kein Museum der Welt kann aus sich selbst existieren. Das Leopold Museum hat einen ungeheuren Wertzufluss von unserer Familie erhalten. Es ist sehr ungerecht, dass man so schlecht behandelt wird – im Vergleich zu anderen Häusern, die das Dreifache bekommen und nur halb so viele Besucher aufweisen. Wir bemühen uns daher nach Kräften, eine Erhöhung der jährlichen Subventionen zu bekommen.

Rudolf Leopold hat eine zweite Privatsammlung angelegt. Was geschieht mit dieser sogenannten Sammlung II?

Leopold: Ich bin dabei, die Sammlung II zu ordnen. Es müssen Schulden beglichen werden, die Kinder erhalten ihre Anteile. Und dann werde ich überlegen, was ich mit der Sammlung II mache. Immer wieder stelle ich dem Museum Teile der Sammlung für Sonderausstellungen zur Verfügung: Bei der Expressionismus-Ausstellung („Deutsche Expressionisten mit Meisterwerken aus der Sammlung Thyssen-Bornemisza“, 2006/07, Anm.) waren 50 Leihgaben aus der Sammlung II dabei, bei der Frauen-Ausstellung („Körper, Gesicht, Seele“, 2006, Anm.) 60 und bei der Aquarell-Ausstellung („Verborgene Schätze der österreichischen Aquarellmalerei“, 2010, Anm.) 70, darunter fast der gesamte Rudolf-von-Alt-Bestand.

Wie groß ist die Sammlung II?

Leopold: Der frühere Wissenschaftsminister Erhard Busek hat seinerzeit meinen Mann gefragt: „Wie viele Bilder haben Sie?“ Da hat mein Mann erwidert: „Das weiß ich nicht.“ Genauso geht es mir mit der Sammlung II. Ich kann Ihnen die Stückzahl nicht sagen. Ich werde zehn gotische Figuren hineinnehmen, die schönsten asiatischen Skulpturen aus der frühen Kaiserzeit, Volkskunst.

Was gibt es für Ausstellungsvorhaben?

Leopold: 2011 möchte ich, was mir große Freude bereitet, weil sehr viel Privates dabei ist, die Ausstellung „Leopold Modern“ zeigen. Andere Museen müssen sich da um Leihgaben bemühen. Wir können aus dem Vollen schöpfen. Im Herbst gibt es eine Schiele-Ausstellung. Das wird etwas ganz Besonderes. Die Royal Academy hat heuer eine wunderbare Van-Gogh-Ausstellung gezeigt („The Real Van Gogh. The Artist and his Letters“, Anm.), in der das Leben des Künstlers durch seine Briefe nachgezeichnet wurde. Es waren u.a. Briefe zu sehen, in die der Künstler hineingezeichnet hat. Wir haben einen großen Kasten voll mit Material aus der Zeit, als Rudolf Leopold 1972 seine Schiele-Monografie geschrieben hat – mit herrlichen Dokumenten. Da ist auch die ganze „Wally“-Geschichte dabei. 2014 will die Royal Academy die Kunst und Kultur der Zeit von 1910 bis circa 1920 zeigen. Bei diesem wichtigen Projekt beteiligen wir uns.

Wie lief dieses letzte Treffen zwischen den beiden verstorbenen Sammlern Ernst Beyeler und Rudolf Leopold ab, um die jetzige Ausstellung „Cézanne, Picasso, Giacometti“ im Leopold Museum vorzubereiten?

Leopold: Unser Ansprechpartner war Samuel Keller, der Direktor der Fondation Beyeler in Basel. Wir haben eine Liste jener Werke vorgelegt, die wir zeigen wollen – und Keller hat seine Liste vorgelegt. Dann gab es ein Tauziehen vor allem um Picassos „Frau“ aus dem Jahr 1907. Die wollte das Museum nicht reisen lassen. Schließlich haben wir das Bild bekommen, es ist eine Galionsfigur.

Was ist für Sie die Essenz von Wien 1900?

Leopold: Der Ästhetizismus der Jahrhundertwende braucht den Gegensatz der Todesnähe, der Melancholie von Schiele – beides ist in der österreichischen Seele. Der schöne Schein des Jugendstils und die Radikalität des Expressionismus, diese Gegenpole sind der Zauber von Wien 1900. bp


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