11. Februar 2010 - 00:04 Uhr · Von Irene Gunnesch · Kultur

Lentos-Ausstellung: Delikatessen in Bleistift, Kohle, Essig & Öl

Delikatessen in Bleistift, Kohle, Essig & Öl
Das ist eine Muss-Ausstellung. In mehrerer Hinsicht: Zuerst einmal ein Muss, sie anzuschauen. Und dann auch als Muss für das Linzer Kunstmuseum Lentos, seiner spektakulären Sammlung hier jenes Präsentationsforum zu geben, das sie verdient.

Ein flimmerndes Sternefunkeln. Ein flirrendes Blitzen von Kometen, die durch das All zischen. Dazwischen ein gigantisches eisernes Luftgefährt, an dessen ausgefahrenen Spießen Menschenklone turnen. Falls Sie bei dieser Beschreibung auf den aktuellen Hit-Film „Avatar“ schließen, liegen Sie falsch: Die eingangs beschriebene Szenerie entstand bereits 1926. Zu einer Zeit also, als von Animation und Weltraum-Fahrten nur phantasievolle Geister träumten. Der Linzer Klemens Brosch war einer davon. Seine gemalte, kosmische Vision ist eine jener Delikatessen, die das Lentos ab heute (Eröffnung: 19 Uhr) in der Sammlungs-Präsentation zeigt. Unter dem bei Johanna Kandl entlehnten Titel „You never know what will happen next“ hat Kuratorin und Sammlungsleiterin Elisabeth Nowak-Thaller dafür wahre Schätze aus dem Depot zusammengestellt.

Klug war auch die Entscheidung, diese Kunstwerke in einer unaufgeregten, klassischen Ausstellung zu präsentieren. Spektakel sind diese durch Nordico-Zugaben ergänzten Bestände ohnehin selbst genug. Elf Jahrzehnte in elf Räumen, beginnend mit dem 1900 gemalten Klimt-Gustostück „Kühe im Stall“ linkerhand und rechts mit Helene Funkes farbintensiver Drei-Frauen-Szenerie „In der Loge“ aus 1907.

Doch Nowak-Thaller wäre nicht Nowak-Thaller, hätte sie den Zehnjahresblöcken mit den grandiosen, fast zweihundert gezeigten Arbeiten nicht ihre typischen „Interventionen“ beigestellt. So finden sich zwischen Klimt, Schiele, Helnwein, Wurm, Hanghofer, Brehm immer Akzente aus anderen Zeiten, anderen Inhalten, völlig anderen Zugängen. Kontrapunkt ebenso wie Ergänzung, werden diese Interventionen an schrägen Kästen zwischen den anderen Hochkarätern positioniert. „Als würden wir in einem Bilderbuch blättern“, beschreibt Nowak-Thaller ihr „kuratorisches Spielzeug“.

Eine andere Geschichte

Lois Renners kurios im 19. Jahrhundert angesiedelte exotische „Eifersucht“ (2007) ist eine davon. Die exzellente Metapher auf mediale Bildwelten konterkariert auch Fritz von Uhdes Gemälde „Damenbildnis in Schwarz“, das um 1900 entstanden war.

Dann Arnulf Rainers starke Gestik, die in einer fast altarhaften Anordnung auch Arbeiten von Pechstein und Schmidt-Rottluff zugesellt wurde. Es folgen fotographische Schätze zwischen Man Ray und Laszlo Moholy-Nagy. Dann Hanaks „brennender Mensch“, auch Sedlaceks „Besessener“, auch Gütersloh, Michaela Melián (grandios ihr „Föhrenwald“-Kabinett), Kokoschka, Kolig, Hrdlicka, Hockney, Warhol, Beuys, Helnwein und anderes in Holz, Bleistift, Bronze, Kohle, Essig & Öl etc.

Begonnen haben Sammlungspräsentationen des Lentos (früher Neue Galerie, ganz früher Gurlitt-Museum) übrigens anno 1947 mit einer Kubin-Ausstellung des Sammlers Wolfgang Gurlitt, dessen Kunst-Sucht, wie man weiß, mitunter auch die Grenzen der Moral sprengte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Jetzt wurde jedenfalls ein neues Lentos-Kapitel aufgeschlagen. Blättern wir mit in diesem kostbaren „Bilderbuch“.

Quelle: OÖNachrichten Zeitung
Artikel: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,334373
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