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Kunstberichte

Brutale Schönheit von Derek Jarman ist in der Kunsthalle Wien zu sehen

Filmische Nachtmalerei

Irritation durch Spiegel im Film

Irritation durch Spiegel im Film "Art of Mirrors" von Derek Jarman 1973. Foto: Mackay

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung In Österreich ist der Meister des britischen Independent Cinema und Kritiker der Ära Margret Thatchers vor allem durch seinen einfühlsamen Spielfilm "Caravaggio" von 1986 berühmt. Doch Derek Jarman (1942–1994), dem die Kunsthalle Wien zu Recht ein "Leuchten in die Zukunft" zuschreibt, war mehr als ein Grenzgänger zwischen Malerei, Film, Literatur und Bühnenbild. Der Untertitel "Brutal Beauty" spricht für den Inhalt der Schau des Künstlerkurators Isaac Julien, die zuerst in der Serpentine Gallery in London zu sehen war und im Anschluss an Wien in die Kunsthalle in Zürich übersiedeln wird.

In Juliens Auftaktdokumentation "Derek" spielt dessen Lieblingsschauspielerin und Muse Tilda Swinton die Erzählerin. Diese hat einen einfühlsamen Brief posthum an den Aidsaktivisten und Kämpfer für die Rechte der Homosexuellen geschrieben. Der Gegner des Turbokapitalismus experimentierte in seinen Super 8-Filmen von 1970 bis 1973 mit Footage-Material, Doppelbelichtung, Zeitraffer, aber auch mit Spiegeln, Traumbildern und Masken. Die zehn verschieden großen Screens im Dunkelraum vereinen hohe Ästhetik und Brutalität zu einer stillen Magie– die spürbar macht, dass sich dieser Filmer als Maler begriffen hat.

Jarmans Hommage an Yves Klein steht am Ende der Dramaturgie: Der Film "Blue" ist ein Hymnus an die monochrome räumliche Geste des Nichts oder an kosmische Sphären, beinahe eine filmische Himmelfahrt. Er ist 1993 entstanden, ein Jahr vor seinem Tod. In der begleitenden Tonspur ist seine Erfahrung mit dem tödlichen Virus Aids in Poesie gepackt. Der bereits erkrankte Künstler legte einen Garten in Kent an: Dieser und das Prospect Cottage in Dungeness sind heute Pilgerstätten der Fans und in der Schau durch sensible Fotos in Leuchtkästen von Julien präsent.

Die Kunstwerke–gekratzte schwarze Bilder und Collagen mit Fundstücken oder Betten-Assemblagen à la Robert Rauschenberg– sind gegenüber den Filmen von fast unerträglicher Schwere. Sie markieren die Parallelen Nachtleben und Ekel, Lust und Todessehnsucht und sind letztlich alle "Landschaften des Verfalls" in neobarocker Manier. Da kehrt man gerne zu den Filmen zurück.

Im Top-Kino und im Augarten sind "Wittgenstein" und der Punkfilm "Jubilee" im Sommer zu sehen.

Aufzählung Ausstellung

Derek Jarman. Brutal Beauty Isaac Julien und Angela Stief (Kuratoren) Kunsthalle Wien bis 5. Oktober

Dienstag, 01. Juli 2008

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