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Von der Faszination des
Grauens |
"Meine Kunst ist ein Dialog", sagt der
aus Wien stammende Künstler Gottfried Helnwein bei seiner
aktuellen Ausstellung im Linzer Kunstmuseum Lentos. Ein
Dialog, der aufgrund seiner emotionalisierenden Thematik kein
Kunstwissen braucht, um verstanden zu
werden.
Bandagen schnüren den zarten Kinderkopf zum
unförmigen Klumpen. Pflaster zwängen die Lippen auseinander.
Hochglänzende medizinische Gerätschaften bohren sich durch
Mullbinden, zerren brutal an Mundwinkeln, Augen, Haaren,
Nasenlöchern.
Jemand grinst Sie an. Aus einem Gesicht,
das kaum mehr als solches zu erkennen ist: Brandwunden,
Narben, verschobene Haut. Daneben eine teutonische Madonna,
das nackte Kind auf den Knien. Rundum Männer. "Epiphanie"
heißt das Bild, "Anbetung der Könige".
Es wär' nicht
von Gottfried Helnwein, wär' die Idylle nicht radikal
gebrochen. SS-Männer zollen statt der Weisen aus dem
Morgenland dem Gebärtier und dem zukünftigen Kanonenfutter
ihren Tribut.
Bizarre Szenen, mitunter in Kombination
mit berühmten Comic-Figuren (Donald Duck, Micky Maus) und
Spielzeug. Das hat einen Zynismus, der erschüttert. Dieser
Bildwelt des Gottfried Helnwein kann sich keiner entziehen.
Dermaßen perfekt inszeniert, kippt das Grauen in die
Faszination.
Vierzig solcher, überwiegend
großformatiger, Arbeiten sind ab heute abend als Werkschau im
Linzer Kunstmuseum Lentos zu sehen. Es ist dies übrigens
Helnweins erste museale Ausstellung in Österreich, seit er im
Jahr 1985 sein Heimatland verlassen hat. Das Motto "Face it"
bezieht sich auf die Schwerpunktsetzung dieser Präsentation:
das Gesicht.
Viele der in Linz ausgestellten Werke
kennt man schon von seinem gewaltigen Arrangement in der
Dominikanerkirche Krems (1999): einige der "Engel"
(Totgeburten) ebenso, wie "Feuermensch", "Glückspilz"
etc.
Konsequent und virtuos
Man
begegnet aber auch Aquarellen aus den frühen 70ern und
aktuellen Digital-Zyklen zum Thema "Sleep" und "Marylin
Manson" aus den letzten zwei Jahren. Technische Meisterschaft
und auch die Konsequenz einer packenden sozialkritischen
Thematik offenbaren sich in dieser Ausstellung: Gewalt,
Schmerz, Verletzung werden dargestellt. Den Körper ebenso wie
die Psyche
betreffend.
Überfordert
Helnwein
dokumentiert hier in Linz einen künstlerischen Reifegrad, der
eine weitere Steigerung kaum vorstellbar macht. Seine
Eingriffe sind von einer schmerzhaften Unmittelbarkeit, deren
emotionale Energie weit über die großen Bildformate hinaus den
Raum und sein Publikum ergreift. Leider ist "Face it" bis auf
minimale Ausnahmen auf den großen Ausstellungssaal reduziert.
Bei fast vierzig Großformaten ergibt das eine quantitative
Dichte, deren inhaltliche Präsenz viele Betrachter restlos
überfordert.
Gottfried Helnwein
geb. am 8. 10.
1948 als Sohn eines Postlers in Wien. Nach Klosterschule und
Graphik-HTL Studium an der Kunstakademie. Ab 1970
hyperrealistische Bilder Verwundeter/ Bandagierter. 1985
übersiedelt in die BRD, 1997 nach Irland, seit 2002 parallel
Atelier in Los Angeles. Zahlreiche Bühnenbilder und
Ausstellungen, u.a. Albertina, LA, Tate Gallery etc. Technik:
Malerei, Zeichnung, Fotos, Digi-Prints gemischt.
vom 09.03.2006 |
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