Salzburger Nachrichten am 01. Juli 2003 - Bereich: kultur
Eine Frau in Bedrängnis

Im ambitionierten Programm des Salzburger Kunstvereins ist zur Zeit die estnische Künstlerin Ene-Liis Semper mit drei Videoarbeiten an der Reihe.

WERNER THUSWALDNER

Wir haben großen Aufholbedarf. Um die Kulturen jener zehn Länder besser kennenlernen zu können, die 2004 der EU beitreten werden, muss noch viel geschehen. Was wissen wir von den baltischen Staaten? Über einen Kamm scheren darf man sie nicht, das ist klar. Dass aus der Gegend die besten Schlagersänger Europas kommen, genügt als Grundkenntnis nicht. Es stimmt, dass Riga der jüngste Austragungsort für den Eurovisions-Song Contest gewesen ist. Ene-Liis Semper steht dafür ein, dass in Estland noch andere Künste blü-hen. Beispiele davon gibt sie mit drei Videoinstallationen im Salzburger Künstlerhaus. Ene-Liis Semper tritt in ihren Videos selbst auf, eine junge Frau mit kahl geschorenem Kopf, womit nicht Extravaganz, sondern Außenseitertum, das Aussehen von jemand Interniertem oder vielleicht auch Androgynität signalisiert werden soll.

Mit ihren bisherigen Arbeiten zeigt Ene-Liis Semper, dass sie es gar nicht gut mit sich selbst meint. Sie setzt sich Quälvorgängen aus, so dass man auf Masochismus und Selbsthass schließen könnte. Zu ihrem Repertoire gehört, dass sie sich erschießt oder erhängt (zum Glück nur zum Schein), dass sie sich selbst einmauert oder dass ihr von jemand eine Blume in den Mund gepflanzt wird - richtig mit Erde.

Im Künstlerhaus sind drei Installationen zu sehen: Sie lassen sich einfach beschreiben, gleichwohl sind die Reaktionen, die sie im Stande sind auszulösen, recht komplex. "Door" zeigt eine spaltbreit offene Tür zu einem anderen Raum, in dem sich eine undefinierbare Gestalt aufhält. Das verdeutlichen Schatten und Geräusche. Letztlich wird etwas von dieser Gestalt sichtbar, wodurch die Bedrohung noch erheblich gesteigert wird. "Into New Home" ist ein Video, in dem die Künstlerin mit einer Ratte in den Händen in einem Bett liegt und wie in einem Traum durch eine grüne Landschaft fährt. Im Video "Seven" vervielfältigt sich die Künstlerin. Sie wird wie zu einem Casting auf eine Bühne gestoßen und fühlt sich bei dieser Art Präsentation sichtlich unwohl. Der Vorgang wiederholt sich, bis die Siebenerreihe komplett ist. Die Frauen drücken mit Verlegenheitsgesten aus, wie unangenehm die Situation ist. Klar, dass eine der Bedeutungen auf den "Objektcharakter" der Frau hinausläuft. - Ene-Lis Semper schwankt zwischen Subitilität und der Wahl vordergründiger Effekte.

(Bis 27.7.)

Im Ausstellungskabinett des Kunstvereins ist ein sehr ambitioniertes Programm im Gang. Künstler, die mit den neuen Medien umgehen, verschaffen einem hier mit Witz und Nachdenklichkeit Erkenntnisgewinn. Zur Zeit zeigt Petra Egg, Absolventin des Salzburger Mozarteums, ihr Programm "Grand Tour". Es erinnert an frü-her in Bekanntenkreisen gefürchtete Diaabende. Petra Egg hat eine Fülle von Bildern auf Lager, teils aus den 50er und 60er Jahren. Die Kommentare dazu klingen sehr ernst und sprühen zugleich vor unfreiwilligem Humor.

(Bis 6.7.)