22.11.2002 11:41
Die Kunst und ihre Folgen
Die
Kunsthalle Wien beging ihren zehnten Geburtstag - "Alles oder nichts" ist
Direktor Gerald Matts Jubiläumsmotto - Mit Ansichtssache
Wien - Die Kunsthalle Wien ist zehn Jahre alt. Ihr Direktor
schillert. Sie ist ins Museumsquartier gezogen. Und doch am Karlsplatz
geblieben. Nicht zuletzt deshalb ist sie die wohl präsenteste Wiener
Institution, die sich zeitgenössischer Kunst widmet. Auch international. Das
Haus zählt zu den bestbesuchten Gegenwartskunst-Adressen in Europa. Gerald Matt
hat die gelbe Schachtel am Karlsplatz 1996 vom Gründungsdirektor Toni Stoss
übernommen. Und alles anders gemacht als sein Vorgänger - die klassische Moderne
zugunsten der unmittelbaren Gegenwart aus dem Programm gestrichen, den Anteil
der Eigenproduktionen massiv erhöht, eine höchst publikumswirksame
Öffentlichkeitsarbeit aufgezogen.
"Alles oder nichts" ist auch sein
Jubiläumsmotto. Und was bedeutet es eigentlich, Direktor zu sein? Matt hält es
da mit Jean-Christophe Ammann: "Leadership. Eine Position, eine Vision
behaupten, und die dann auch umsetzen. Hartnäckig! Alles, was dabei dem Haus
dient, ist gut. Alles andere ist schlecht. Nur so gewinnt man Vertrauen bei
denen, für die zu arbeiten man einen Auftrag hat: beim Publikum."
Als
Direktor ein Haus nach außen zu vertreten bedeutet auch, betont er immer wieder,
sich einer Sache bewusst zu sein: "Kunst hat Folgen!" Auf die muss man
vorbereitet sein. "Naiv geht gar nichts!" Wer Maurizio Cattelans "Hitler"
ausstellt und dann nicht auf Reaktionen vorbereitet ist, ist in der falschen
Position. Dass der Wirbel um das Haus viel mit seinem Auftreten, der
Inszenierung seiner Person zu tun hat, dass er darob der "Eitelkeit" bezichtigt
wird oder gar dessen, das Haus nur zu benutzen, um etwas, vielleicht gar
Politiker, zu werden, ehrt und kränkt ihn zugleich:
"Die Entscheidung für
die richtige Krawatte zum Anzug ist Privatsache." Letztlich ehre es aber die
Kunsthalle, wenn man ihn mit Ämtern in Verbindung bringt, respektiere damit
seine Arbeit und die seines Teams.
Und: "Wenn man mir vorwirft,
parteipolitisch zu agieren, kann ich nur auf die Verlängerung der Verträge von
Seipel und Schröder durch Frau Gehrer im letzten Wischer verweisen. Wir haben
einen zum größten Teil konservativen, reaktionären Journalismus, der jede
Stellungnahme gegen diese Regierung einäugig als Parteigängerei abwertet, aber
jede Liebesdienerei für nationalkonservative Ideen begrüßt oder nicht einmal
thematisiert. Gute Kunst ist gesellschaftliches und soziales Engagement - nicht
bloß im Zingglschen Sinn. Und der Kunst dient einfach nicht, wenn ein Konrad
Becker oder ein Depot aus dem MQ hinausgeschmissen werden, nur weil sie
regierungskritisch sind. Da habe ich zu reagieren, muss etwas sagen. Wenn das
als parteipolitisch gebrandmarkt wird, dann bin ich gerne Parteipolitiker. Wir
haben die Wiener Seilschaft nicht im Haus. Wir sind unabhängig. Auch von
massiven Interventionsversuchen der Wiener Galerieszene." (DER STANDARD,
Printausgabe, 22.11.2002)