DER STANDARD, 03. April 2002


"Wir sitzen wie auf Koffern!"

Zu wenige und weit verstreute Lehrräume, Generationenwechsel bei den Pädagogen und offene Finanzierungsfragen: Peter Cossé sprach mit dem Salzburger Mozarteum-Rektor Roland Haas.

Salzburg - Die Situation der Universität Mozarteum ist schmerzlich bekannt. Das Haus am Mirabellplatz musste geschlossen werden. Die verwendeten Materialien erhärteten den Verdacht, gesundheitsschädliche Bestandteile zu haben. Seit der Schließung des Hauses 1998 befindet sich das Institut auf Wanderschaft, einzelne Abteilungen sind in einem ehemaligen Möbelhaus und in einem Supermarkt-und Fitnesskomplex untergebracht.

STANDARD: Können Sie einem amerikanischen Studenten guten Gewissens die Mozart- stadt empfehlen?
Haas: Ich würde antworten: Komm ans Mozarteum! Denn der Studienort Salzburg hat gute Möglichkeiten in Kulturkunde Europa zu bieten, auch im Hauptfach des Mozarteums, in der Ausbildung zum Instrumentalisten. Wir werden in den nächsten Jahren generationsbedingte Wechsel im Lehrkörper haben. Das heißt, dass wir Lehrkräfte aus dem mittleren Bereich - gemeint ist das Dozentenalter - wieder binden können, etwa das Hagen Quartett. Dabei hoffe ich auch, dass diese Lehrer wieder intensiver am Hochschulleben Anteil nehmen.

STANDARD: Gibt es denn im Bereich der Anteilnahme am Hochschulleben Defizite?
Haas: Das ist im Moment der Kampf, der entscheidend mitbestimmt wird durch das Nichtvorhandensein eines gemeinsamen Ortes. Das Mozarteum ist verstreut. So scheint die Versuchung groß zu sein, sich lieber nach draußen zu orientieren. Es hängt aber auch damit zusammen, dass hier manche Dinge, die eigentlich traditionell in einer Hochschule gemeinschaftsbildend sind, in den letzten Jahren nicht genügend gepflegt worden sind - zum Beispiel das Hochschulorchester als klassischer Ort.

STANDARD: Ihr Hoffnungshorizont im Bereich der räumlichen Situation?
Haas: Der Kernpunkt ist die Institutsproblematik - man sitzt ja jetzt ein bisschen wie auf Koffern. Bis 2006 soll der Mirabellplatz 1 wieder bezugsfertig sein. Das bedeutet: Das Gebäude wird sozusagen sauber gemacht, mit passenderer Struktur versehen. Man könnte sofort beginnen - das Raumprogramm ist vorhanden. Der Eigner, die Bundesimmobiliengesellschaft, hat die Ausschreibung für einen Gestaltungswettbewerb praktisch auf dem Tisch liegen .

STANDARD: Der alte, nun neue Mirabell-Komplex böte dem Mozarteum aber keineswegs Raum genug, um alle Funktionen zu erfüllen.
Haas: Das Mozarteum ist ja mit der Zeit gewachsen. Die Hälfte der Studierenden wird Musik-und Kunsterzieher, wir bilden zudem Schaupieler aus. Für die Bereiche der darstellenden und der bildenden Künste bedarf es eines zweiten Gebäudes. Das war im alten Haus ein Problem, weil es dazu berufsspezifischer Räume bedarf: für den Schauspieler eine handwerksadäquate Bühne, für den Kunststudenten atelierähnliche Bedingungen.

STANDARD: Wie weit sind die Planungen gediehen?
Haas: Sie sind zurzeit noch recht verworren. Zum einen gibt es begründete Überlegungen, mit der Paris-Lodron-Universität stärker zusammenzuarbeiten. An der Akademiestraße am südlichen Stadtrand muss die Geisteswissenschaft erweitert werden - dort könnte man sich vorstellen, etwa eine Verbindung zwischen Schauspiel, Romanisten und Germanisten herzustellen. Allerdings wagt in Wien keiner im Moment für ein solches Vorhaben die ministeriale Hand ins Feuer zu legen, ob das 2006 kommt oder erst später. Man weiß ja auch nicht, wie die Finanzierungswirklichkeit aussieht. Darüber hinaus gibt es private Konsortien, die sagen: "Hier haben wir einen Platz, auf dem wir bauen können. Wir haben auch das Geld. Bitte sagt uns, was Ihr wollt, und redet mit uns, ob das auch so gehen könnte." Das sind Gesellschaften, die in Salzburg Nutzer suchen und dafür an prominenten Stellen der Stadt bauen möchten. Ein Konsortium möchte am Bahnhof bauen, eines möchte am Rainberg bauen - ein interessanter Ort nicht unweit vom Festspielhaus, wodurch man sich interessante Verbindungen vorstellen könnte.

STANDARD: Ist es der Politik eigentlich bewusst, welche Stellung das Mozarteum hat?
Haas: Wir befinden uns mitten in einer gesamtösterreichischen Universitätsreform, deren Schwerpunkt auf der Entwicklung der Technologie und der Naturwissenschaften liegt. Da laufen die Kunstuniversitäten irgendwie mit. Wir haben Fragen zu bewältigen, die ihrem Kern nach Fragen der Medizin, der Physik oder des wissenschaftlichen Assistenten sind. Mein Standpunkt inzwischen: Ich wäre froh, das Mozarteum wäre noch eine Musikhochschule. Sie lässt sich ihrer Natur nach schlecht in die neuen Strukturen einbinden. Viele, die für die Universitätsreform waren, fühlen sich nun wie die Verlierer derselben.


© DER STANDARD, 3. April 2002
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